Klavier:Mambo, Tango und die Politik

Die Pianistin Gabriela Montero ist eine Meisterin der Improvisation. Seit ein paar Jahren komponiert sie außerdem, 2016 wurde ein Klavierkonzert uraufgeführt, das die Vielfalt lateinamerikanischer Rhythmen feiert.

Von Antje Rössler

Der Alltag tourender Pianisten sieht meist so aus: ankommen, zum Konzertsaal fahren, den Flügel ausprobieren, verschnaufen, Auftritt. Und zwischendurch Interviews geben - über Musik. Politik ist weitgehend kein Thema.

Aber es gibt auch Musiker, die sich zum Weltgeschehen äußern. Zu ihnen gehört Gabriela Montero. Sie stammt aus Venezuela, dessen Einwohner unter Hunger, Gewalt und der wohl weltweit höchsten Inflation leiden - obwohl das Land auf reichen Erdölvorkommen sitzt. Gegen das korrupte Regime erhebt Gabriela Montero hartnäckig ihre Stimme. Die Musikerin fühlt sich ihrer Heimat eng verbunden, obwohl sie ihr Land bereits als Neunjährige verließ. Damals erhielt sie ein Stipendium, um in den USA zu lernen. Später studierte sie in London. Heute lebt Gabriela Montero in Barcelona.

Ihre Kompositionen drücken auch ihren Protest gegen das korrupte Regime Venezuelas aus

Meist ist sie allerdings unterwegs auf Tournee. Denn die Pianistin, deren Begabung von Klavierlegenden wie Martha Argerich und Friedrich Gulda gefördert wurde, hat Fans auf der ganzen Welt. Ihr Album "Bach and Beyond" hielt monatelang Spitzenplätze in den Charts. Für zwei weitere Alben bekam sie Echo-Preise. Zur Popularität der Musikerin trägt bei, dass sie nicht nur die gängige Klavierliteratur spielt, sondern auch improvisiert. Ihr Auftritt bei den Sommerkonzerten kombiniert beides: Der Abend beginnt mit einer tiefsinnigen Bach-Chaconne und Robert Schumanns phantasievollem Zyklus "Carnaval". Nach der Pause improvisiert die Pianistin, wobei die Zuhörer die Melodien vorgeben. Gabriela Montero denkt dann kurz nach, klimpert ein wenig vor sich hin und macht schließlich in immer temperamentvolleren Improvisationen aus dem Volkslied eine Samba oder aus dem Schlager eine Fuge. Montero improvisierte schon als Kind. Als ihre Mentorin Martha Argerich sie ermunterte, das auch öffentlich zu tun, war sie bereits 30 Jahre alt. Inzwischen sind die Improvisationen das, was ihren Anhängern am besten gefällt. Seit ein paar Jahren komponiert die vielseitige Musikerin außerdem. 2016 wurde ein Klavierkonzert von ihr uraufgeführt, das die Vielfalt lateinamerikanischer Rhythmen von Tango bis Mambo feiert.

Ihre ersten Schritte als Komponistin machte Gabriela Montero jedoch mit weniger optimistischen Klängen. Schon 2011 veröffentlichte sie "Ex Patria" für Klavier und Orchester, eine wütende und traurige Hommage an ihre Heimat Venezuela. In der Musik herrscht Untergangsstimmung à la Gustav Mahler; einmal setzt das Klavier zu einem expressionistischen Gewehrfeuer an. Seither hat sich die Situation in dem lateinamerikanischen Land weiter verschlimmert. Venezuelas weltweit bewundertes Musikerziehungsprojekt El Sistema, das 800 000 Kinder betreut, wird von dem Regime als ideologische Waffe eingesetzt. Musikalischer Leiter von El Sistema ist der Venezolaner Gustavo Dudamel, Chefdirigent der Philharmoniker von Los Angeles. Montero forderte Dudamel mehrmals auf, Stellung gegen das venezolanische Regime zu beziehen. Nach langer Zurückhaltung hat dieser vor Kurzem in einem öffentlichen Brief Kritik an der Regierung geübt.

Gabriela Montero protestiert aber nicht nur musikalisch gegen die Regierung Venezuelas. Sie tritt auch als Botschafterin für Amnesty International auf und äußert sich beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos. Ihre vielfältigen Aktivitäten zeigen: Musiker können weit mehr als musizieren.

Gabriela Montero, Sonntag, 2. Juli, 19.30 Uhr, Stadttheater Ingolstadt, Festsaal

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