Wie man im zweidimensionalen Medium eines Bildes den dreidimensionalen Körper eines Bauwerks wiedergibt, darüber haben sich seit der Renaissance viele Künstler Gedanken gemacht. Wie man aber mit den vergleichsweise simplen Mitteln der Fotografie den individuellen Charakter eines Bauwerks sichtbar macht, das hat in den vergangenen Jahrzehnten keiner so eindrucksvoll demonstriert wie Klaus Kinold, der Münchner Architekturfotograf, der als Schüler von Egon Eiermann die Prinzipien der Architekturmoderne imponierend konsequent auf die Fotografie angewandt hat.
Kinolds fotografische Analysen stellen nicht nur das Äußere und das Innere der porträtierten Bauten in menschenleeren Totalen wirkungsvoll einander gegenüber, sie zeigen mit der gleichen sachlichen Korrektheit auch bautypische Ecken und Winkel und lenken den Blick auf Details, die etwas von der spezifischen Konstruktion der Architektur verraten. So können sogar Kenner der Alten Pinakothek in München eine kleine Offenbarung erleben, wenn sie Kinolds Fotografien des Museumsbaus sehen: etwa die magische Ansicht der doppelläufigen Treppenanlage, die vom Sonnenlicht rhythmisiert wird, oder den optischen Hinweis auf die sehnendünnen stählernen Stützen, die Hans Döllgast beim Wiederaufbau nach dem Krieg so vor die Südfassade gestellt hat, dass sie dort wie ergänzende Striche wirken, also kaum bemerkt werden.
Ein eigenes fotografisches Genre hat sich Klaus Kinold mit seiner Panoramakamera erarbeitet. Es sind meist wilde Felslandschaften, die er in doppelter Cinemascope-Breite vor dem Auge abrollen lässt. Aber auch ein lang gestrecktes Bauwerk wie Frank Lloyd Wrights Wax Factory in Racine, Wisconsin, kann in seinen Panoramabildern seine ganze räumliche Kraft entfalten. Am 20. März ist Klaus Kinold im Alter von 81 Jahren in München gestorben.