Neue Nationalgalerie:Der Coup

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Klaus Biesenbach, neuer Chef der Berliner Nationalgalerie.

(Foto: Stefania M. D'Alessandro/Getty)

Die Berufung von Klaus Biesenbach zum Direktor der Neuen Nationalgalerie ist ein Erfolg für Berlin. Aber er wird mit Geldproblemen kämpfen müssen.

Von Catrin Lorch

Wäre es etwas schneller gegangen mit dieser Personalie, dann hätte Klaus Biesenbach vor wenigen Wochen die frisch sanierte Neue Nationalgalerie in Berlin schon selbst eröffnen können. Der alte Geist war immerhin schon da, gebaute Transparenz und Avantgarde und der Wunsch, an eine westliche, freie Kultur anzuschließen. So war es Joachim Jäger, der nach dem überraschenden Abgang von Udo Kittelmann die Gäste im für 140 Millionen Euro erneuerten Mies-van-der-Rohe-Bau begrüßte.

In dieser Woche kann das Kunstpublikum nun in Gedanken schon mal eine Figur in diesen lichtdurchfluteten, weiten Salon hineinstellen. Als Direktor, als Gastgeber und auch als Sinnstifter: Mit Klaus Biesenbach ist der Stadt ein Coup gelungen, eine internationale Berufung, wie sie in Deutschland selten ist. Man hat in Klaus Biesenbach, der lange am Museum of Modern Art als Chefkurator arbeitete und seit 2018 als künstlerischer Direktor das Museum of Contemporary Art in Los Angeles führt, eine prominente Figur gefunden, die mit den Verhältnissen in Berlin nicht nur vertraut ist, sondern sie mitgeprägt hat. Biesenbach hat in den Neunzigerjahren die Kunst-Werke in der Auguststraße mitbegründet und die erste Ausgabe der Berlin Biennale initiiert.

Für Monika Grütters ist die Kür des Kandidaten vermutlich die letzte wichtige Amtshandlung

Es braucht wohl einen wie ihn, in dieser Stadt und auf diesem Posten. Denn die funkelnde Nationalgalerie und das Museum des 20. Jahrhunderts, das im Jahr 2026 in der von den Star-Architekten geplanten, 450 Millionen Euro teuren "Scheune" in unmittelbarer Nähe eröffnen soll, werden noch für lange Zeit gewaltige Baustellen bleiben. Die Häuser sind Teil der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, einer Organisation, die sich gerade einem Selbstfindungsprozess unterzieht. Man wird schon deswegen wenig verbindliche Zusagen in Bezug auf Finanzen und Ausstattung machen können. Aber die architektonisch funkelnden Häuser sind personell unterbesetzt, zudem fehlt es an einem Ankaufsetat, mit dem die nicht eben herausragenden Sammlungen so entwickelt werden, dass man auf Augenhöhe mit anderen nationalen und internationalen Institutionen konkurrieren kann. Auch Monika Grütters, die als Staatsministerin für Kultur im Kanzleramt die Kür des Kandidaten sozusagen als letzte Amtshandlung vorangetrieben hat, konnte wohl wenig versprechen - ob sie nach der Bundestagswahl das Amt weiterführt, wird sich zeigen.

So wird für Biesenbach die Zusammenarbeit mit den "Freunden der Nationalgalerie" von entscheidender Bedeutung sein. Dass in diesem Verein von Mäzenen seit dem vergangenen Jahr seine langjährige Weggefährtin, die Sammlerin Julia Stoschek, engagiert ist, wird den Ausschlag für seine Entscheidung gegeben haben. Er holte die Düsseldorferin schon vor Jahrzehnten ins Board des Museum of Modern Art, beriet sie bei der Etablierung ihrer beiden Ausstellungshäuser in Düsseldorf und Berlin - und als er nach Los Angeles wechselte, ließ sie sich dort einbinden und dachte sogar über einen Umzug nach Kalifornien nach.

"Ich glaube, Klaus reizt diese phantastische Sammlung, die er sicher in Bezug zu aktuellen Positionen setzen wird. Er hat ein außerordentliches Gespür für Contemporary Art", kommentierte sie die Berufung gegenüber der SZ, eine Personalie, von der sie selbst übrigens erst am Freitag erfahren habe. Allerdings räumt Stoschek ein, dass die Findungskommission durchaus ihrem Vorschlag gefolgt sein könne: "Als ich als Kuratoriumsmitglied gefragt wurde, wen ich mir in dieser Position vorstellen kann, stand sein Name natürlich auch auf dem Zettel."

Die Neubesetzungen werden die Berliner Kunstlandschaft entscheidend verändern

Dass die aktuellen Personalien die Berliner Kunstlandschaft entscheidend verändern werden, gab Monika Grütters am Freitag stolz zu Protokoll, als sie auch die Neubesetzung des Museums Hamburger Bahnhof mit dem - weitgehend unbekannten - Kuratorenduo Sam Bardaouil und Till Fellrath bekannt gab, die unter dem Namen "Art Reoriented" auftreten. Inhaltlich zielten ihre Projekte bislang vor allem auf aktuelle und moderne Kunst aus dem Nahen Osten, sie organisierten Länderpavillons auf der Biennale von Venedig, ließen sich aber auch von der Montblanc Foundation verpflichten. Stephanie Rosenthal, die in Berlin den Gropius-Bau verantwortet und in den Findungsprozess eingebunden war, arbeitet mit Sam Bardaouil und Till Fellrath zusammen, seit sie die Sydney Biennale leitete. Nun wird der Hamburger Bahnhof, ein unter Udo Kittelmann bedeutendes Haus, auf Führungsebene von dem Museum der Moderne und der Nationalgalerie abgetrennt, auch das Museum Berggruen soll künftig eigenständiger werden.

Die Berliner Kunstlandschaft diversifiziert sich: vom ratlosen Humboldt-Forum und dem Gropius-Bau als Touristenmagneten über die experimentellen Institutionen der Kunst-Werke und des Hauses der Kulturen der Welt, bis zu einer Nationalgalerie und einem damit verbundenen Museum des 20. Jahrhunderts, die, das macht die Berufung von Biesenbach deutlich, als weltläufige, erste Adresse inszeniert werden.

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Neue Nationalgalerie Berlin: Klaus Biesenbach

Berlin
:Klaus Biesenbach wird Direktor der Neuen Nationalgalerie

Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz spricht von "einem absoluten Glücksfall für die Nationalgalerie, für Berlin, für die Kunst". Biesenbach ist unter anderem als Chefkurator des MoMA in New York bekannt geworden.

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