Klassischer Tanz:Alles perfekt

Bayerische Staatsoper, Der Nussknacker

Traumwandlerisch schön: Nancy Osbaldeston und Jonah Cook im aufgefrischten "Nussknacker".

(Foto: Wilfried Hösl)

"Der Nussknacker" mit dem Bayerischen Staatsballett

Von Eva-Elisabeth Fischer

John Neumeier feiert, falls dieses Geburtsdatum nun tatsächlich stimmt, am 24. Februar 2019 seinen 80. Geburtstag. Wohl weil er wie der andere John, sein Lehrmeister John Cranko, unverbrüchlich zur jüngeren Münchner Ballettgeschichte gehört, holt der Ballettchef Igor Zelensky als Liebhaber alles Bewährten ein paar zeitlos schöne Antiquitäten aus der Asservatenkammer und verpasst ihnen ein frisches Finish. Die "Kameliendame" wird am 10. Januar wiederaufgenommen. Aber jahreszeitgemäß ist jetzt erst einmal der "Nussknacker" nach E.T.A. Hoffmann dran, bei Neumeier allerdings kein Weihnachtsmärchen, sondern als seine Verneigung vor dem großen Schöpfer des Handlungsballetts Marius Petipa inszeniert.

"Der Nussknacker", den Neumeier selbst als seine erste reife Choreografie betrachtet, wurde 1973 in der Münchner Fassung erstaufgeführt. Der Kassendauerrenner geht am Sonntagabend im Nationaltheater zum 152. Mal über die Bühne. Man schaut, man lauscht, man staunt. Alles erstrahlt, immer wieder mit Zwischenapplaus belohnt, in akribisch hochglanzpolierter Perfektion. In Jürgen Roses bildnerischer Reminiszenz an vergangenen zaristischen Prunk liefert die Familienzusammenkunft der Stahlbaums die Exposition für keineswegs nur harmlose Altmänner- und Jungmädchenträume, die vielfach zum zuckrigen Winter-Weihnachts-Märchen überpudert werden.

Bruder Fritz, Schwester Louise samt dem feschen Günther und etliche Kadetten treten an, der kleinen Marie, die so gern Ballerina werden möchte, zum zwölften Geburtstag zu gratulieren. Und tatsächlich wird im Zeitraffer zweier Akte aus dem ungelenken Kind ein zauberhaftes junges Mädchen - von der Latenz zur Sichtbarkeit. Diese Marie mag dem realen E.T.A. Hoffmann sehr gefallen haben. Der erfährt im ebenso skurrilen wie geheimnisvollen Strippenzieher, dem Ballettmeister Drosselmeier seine Bühneninkarnation. Jonah Cook, der ja auch den Jungmädchenliebhaber Lewis Carroll tanzt, ist da voll in seinem Element - ein wenig skurril und dabei verführerisch, ein Gentleman mit inzwischen edelster Körperlinie, welcher wohl gern die Marie, hinreißend getanzt von der quirligen Nancy Osbaldeston, nicht allein in den Ballettpositionen an der Stange unterweisen wollte. Maries Schwester Louise und ihr Galan Günther, die in voller Degas-Ballerinenschönheit erblühte Prisca Zeisel und der kraftvolle Emilio Pavan, können das alles schon. Ach, welche Hingabe im Grand Pas de deux, der das bunt schillernde Divertissement des Zweiten Akts virtuos beschließt! Und dank Robertas Šervenikas am Pult hört man Tschaikowsky ganz neu, luzide und brillant, frisch bewegt statt klebrig süß und endlich einmal blitzsauber in den Bläserpassagen und dem Violinsolo.

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