Klassische Musik:Superstar aus Indien - Dirigent Zubin Mehta wird 80

Zubin Mehta

Zubin Mehta Zubin Mehta, indischer Dirigent, während eines SZ-Interviews in der 'Fürstensuite' des Hotel Imperial in Wien.

(Foto: Regina Schmeken)

Aus Bombay nach Wien, von Wien in die Welt: Vor wenigen Wochen erzählte Mehta aus seiner Jugend. Eine Begegnung.

Von Oliver Das Gupta

Das Zimmer des Abenddirigenten im Münchner Nationaltheater im März. Zubin Mehta empfängt, ein bisschen Zeit hat er freigeräumt vor der Probe, es ist ein recht spontaner Termin.

Der Besucher will etwas mehr erfahren über Kindheit und Studentenleben, dafür siedelte Mehta nach Wien über - eine Zeit, in der er noch keine öffentliche Person war. Bevor er aus seinen jungen Jahren erzählt, stellt der Maestro Fragen. Die wichtigste lautet: "Interessieren Sie sich für Cricket?"

Zubin Mehta spielte als Teenager selbst begeistert, doch er machte eine andere Leidenschaft zum Beruf: die Musik. Mehta, einer der größten Dirigenten unserer Zeit, aufgestiegen zum Superstar, als der Bundeskanzler Konrad Adenauer hieß. Mehr als 60 Jahre ist das her. Seitdem ist er Weltklasse, gewinnend als Mensch, fordernd als Musiker, immer wieder politisch, in Liebe mit Israel, die innig und manchmal verzweifelt ist.

Ein indischer Vater, der von Mozart beseelt war

In der Metropole Bombay, dem heutigen Mumbai, kam Mehta vor 80 Jahren zur Welt. Das parsische Elternhaus war wohlhabend, vor allem aber war es ungewöhnlich: "Schon bevor mein Bruder Zarin und ich das Sprechen gelernt haben, hörten wir klassische Musik", sagt Mehta.

In der indischen Kultur war eine ganz eigene, sehr komplexe klassische Musik entstanden, die sich von der europäischen Klassik grundlegend unterschied. Mehtas Vater Mehli hatte sich letzter verschrieben, er war beseelt von Schumann, Brahms und Mozart.

Schon vor der Geburt der Söhne gründete Mehli Mehta das Bombay Symphony Orchestra und später noch ein Streichquartett. Geprobt und unterrichtet wurde im Elternhaus der Mehtas, während im Zimmer nebenan die Kinder Hausaufgaben für die Schule erledigten.

Schon früh begann bei Zubin und Zarin die Liebe zu der Musik, die ihr Vater zelebrierte. Als Kinder hörten sie sich immer wieder durch die Plattensammlung, und der Ältere, Zubin, sprang bei Violinkonzerten für den Vater als Hilfsdirigent ein, wenn der den Solopart spielte.

Die berufliche Zukunft der Söhne sahen die Eltern allerdings nicht in der Musik. Zubin Mehta begann Medizin zu studieren. Nach zwei Semestern brach er ab und machte Musik zu seiner Lebensaufgabe.

Die Familie schickte den Sohn zum Studium nach Europa, in die Stadt von Mozart und Beethoven: nach Wien. Es sollte die Ouvertüre zu einer einzigartigen Karriere werden.

Wiener Schnitzel und Judenhass

Mit 18 kam Zubin Mehta in die damals vom Zweiten Weltkrieg noch schwer gezeichnete Stadt. "Ich war als Inder damals eine Attraktion", sagt Mehta, "die Menschen wollten alles Mögliche von mir wissen."

Er lernte nicht nur Musiktheorie, Klavier und Bass, sondern auch die deutsche Sprache, die ihn bisweilen wie einen Wiener klingen lässt. Für ihn entfaltete sich in der österreichischen Hauptstadt die klassische Musikwelt noch einmal neu: Opern waren ihm bis dahin fremd, und den Klang großer Orchester kannte er nur von den kratzenden Schelllackplatten seines Vaters.

In Wien ging er nun in die Oper und in den Saal des Wiener Musikvereins und hörte dort die bekannten Symphonien, Klavierkonzerte und andere Werke unter den Dirigaten von Persönlichkeiten wie Karl Böhm und Herbert von Karajan. Es waren Offenbarungen für den jungen Mann auf dem billigen Stehplatz. In Wien lernte er auch einen schmächtigen Jungen kennen, der am Klavier brillierte und ein Freund fürs Leben wurde: Dirigent Daniel Barenboim.

Anders als sein Vater in Großbritannien wurde Mehta in Österreich nicht diskriminiert. "Vielleicht gab es etwas hinter meinem Rücken", sagt er, "aber das ist mir dann verborgen geblieben."

Allerdings wurde Mehta mit einer anderen rassistischen Fratze konfrontiert: Antisemitismus. Er wohnte damals zur Untermiete bei einer Wiener Familie, die ihn mit Schnitzel fütterte und "fast adoptierte".

Eines Tages kündigte er Besuch an, einen israelischer Sänger. Die Familie sprach sofort ein Hausverbot aus, weil der Mann Jude war. "Das war ein großer Schock für mich." Mehta rollt noch heute wütend mit den Augen, wenn er von diesem Schlüsselerlebnis erzählt.

Die rechten Bewegungen in Österreich und anderswo in Europa sieht Mehta mit Sorge, aber er bleibt optimistisch: "Ich glaube, dass die Mehrheit der Menschen tolerant ist." In Deutschland, wo er als Generalmusikdirektor viele gloriose Jahre an der Bayerischen Staatsoper fungierte, hält er die Gesellschaft für besonders offen.

Die vielen Heimaten des Weltbürgers Mehta

Inzwischen ist Mehta ein Weltbürger, seine Lebensmittelpunkte liegen in Kalifornien und in der Toskana, in Israel ist er besonders gerne. "Meine Heimat wird immer Indien bleiben", sagt Mehta, "und mein geistiges Zuhause immer Wien."

Wien, immer Wien. Dort sieht er heute Abend, seinem 80. Geburtstag, seinen jüngeren Bruder Zarin aus Chicago wieder, den er selten trifft, aber immer mal wieder anruft, damit er ihm Cricket-Ergebnisse aus dem Internet heraussucht.

Zum Wiegenfest wird Zubin Mehta reich beschenkt. Die Wiener Philharmoniker geben im Musikverein ein "Außerordentliches Gesellschaftskonzert", der Pianist heißt Daniel Barenboim, Stücke von Beethoven stehen auf dem Programm. Und alle werden dirigiert vom Geburtstagskind.

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