Klassische Musik:Komponieren mit Würfeln

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(Foto: abjad.mbrsi.org)

Die erzwungene stade Zeit, in der europaweit die Konzertsäle verwaist und die Musiker zur Generalpause gezwungen sind, ist ideal für Komponisten.

Von Reinhard J. Brembeck

Die Grundlage der Musik ist erstaunlicherweise die Stille. Nur wenn nichts zu hören ist, setzen der Sänger und der Pianist zu ihrem Tun an. Gleiches gilt für den Komponisten. Nur wenn um ihn herum Ruhe ist, kann er hören, welche Klangphantasmagorien in ihm aufsteigen, um sie dann zu Papier zu bringen oder improvisierend zu spielen, zu singen. Deshalb ist die jetzt durch die Seuche erzwungene stade Zeit, in der europaweit die Konzertsäle verwaist und die Musiker zur Generalpause gezwungen sind, ideal für Komponisten.

Doch anders als das Malen, Dichten, Musizieren und Holzschnitzen ist das Komponieren von Musik für die meisten Menschen eine Sache, die sie sich nie zutrauen würden. Dabei kann Komponieren so einfach sein. In der guten alten Zeit, in der noch keine Bildschirme, Tablets noch iPhones erfunden waren, hatten findige Komponisten den Markt der Hobby- und Heimhandwerkerkomponisten früh im Visier. Johann Philipp Kirnberger, Carl Philipp Emmanuel Bach und Maximilian Stadler gehörten zu den ersten, die musikbegeisterten Dilettanten das Komponieren mittels Würfeln beibrachten. Dass es sich dabei allerdings um virtuose Taschenspielertricks handelte, wird überdeutlich in der berühmten, lange Zeit Wolfgang A. Mozart zugeschriebenen "Anleitung so viel Walzer oder Schleifer, mit zwei Würfeln, zu componiren, so viel man will, ohne musikalisch zu seyn, noch etwas von der Composition zu verstehen". In der obigen Tabelle geben die Buchstaben den jeweiligen Takt an. Würfelt man 3 + 7 = 10, dann erhält man in der Tabelle eine "98",die sich auf den betreffenden Takt des aus 176 Einzeltakten bestehenden Notenteils bezieht. So kann sich jeder 8 oder 16 oder 32 oder noch mehr Takte im Drei-Achtel-Walzertakt erwürfeln, sie hinschreiben und einem ahnungslosen Pianisten vorlegen, mit der Frage, ob er dieses Stück von Mozart denn kenne. Das ist so billig wie fies. Die große Leistung besteht ja nicht im Würfeln. Die große Leistung hat jener unbekannte Meister vollbracht, der sich 176 Takte ausgedacht hat, die in jeder beliebigen Reihenfolge und Zahl angeordnet immer ein brauchbares Stück ergeben. Ein früher Serialist, ein Genie.

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