Klassikkolumne:Vor der Zeit vollendet

Neues aus der Klassikwelt, die im Gegensatz zu anderen Musikstilen nach wie vor auf die gute alte CD als Medium setzt.

Von Helmut Mauró

Wunderwerk

Zwischen dem alles niederschmetternden Operntenor und dem nahe am evangelischen Kirchensprech angesiedelten Alte-Musik-Tenor gibt es noch allerlei lyrische Varianten, klangvolle, unaufdringliche, sich in die Musik versenkende und wie erleuchtet aus ihr heraustauchende Tenöre. Genau sie sind das Salz in der Suppe der Vokalpolyphonie, des großartigen mehrstimmigen Gesangs aus der Zeit von Renaissance. Die Chorstimmen - hier die Capella Amsterdam unter Leitung von Daniel Reuss (harmonia mundi) - bewegen sich dabei kanonartig verschobenen, individuell und dabei immer angenehm zusammenklingend. Ein Wunderwerk der Kompositionswissenschaft, wie sie einer ihrer prominentesten frühen Vertreter, Josquin des Prez, auf so unglaubliche Weise verwirklicht hat. Für heutige Ohren ist es immerhin noch sehr entspannende Musik, eine Stunde Josquin ersetzt circa zehn Yogastunden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: