Klassiker des Schreckens:Und ewig brummt die Kettensäge

Zum vierzigsten Jubiläum des Kinostarts 1974 kommt "The Texas Chainsaw Massacre" restauriert in die Kinos zurück. Sieben Gründe, warum der Horrorfilm zur Legende wurde.

Von David Steinitz

Um die großen Hollywood-Studios auf sich aufmerksam zu machen, beschloss der ehrgeizige Regisseur Tobe Hooper Anfang der Siebzigerjahre, einen Skandalfilm zu drehen. Das war zwar ein ziemlich schlechter Zeitpunkt, weil gerade Dutzende junge Filmemacher mit ihren kleinen Outsider-Produktionen voller Sex und Gewalt das veraltete Studiosystem mit seinen konservativen Moralvorstellungen herausforderten.

Aber wenn es neben den verrückten Jungs des New Hollywood - Scorsese, Coppola und Konsorten - jemandem gelungen ist, das träge gewordene amerikanische Kino so richtig durchzurütteln, dann war das Hooper mit seinem "Texas Chainsaw Massacre/Blutgericht in Texas". Sein Film über fünf Jugendliche, die auf einem Road Trip durchs texanische Hinterland einer Kannibalenfamilie mit Kettensäge in die Hände fallen, konnte als zynischer Kommentar auf ein Amerika verstanden werden, das glaubte, sich durch Friedensbewegung und sexuelle Revolution zu liberalisieren und zu modernisieren - aber gleichzeitig eine Welle archaischer Gewalt entfesselte, vom Vietnamkrieg bis zur Manson-Bande.

Zum 40. Jubiläum des Kinostarts 1974 kommt der Film nun in einer sorgfältig restaurierten und ungekürzten Fassung noch mal ins Kino - und ist immer noch ein tragikomischer Albtraum, der es in sich hat. Drumherum haben sich diverse Schauerlegenden gebildet - was nicht nur Tobe Hoopers Regiekunst zu verdanken ist, sondern auch seinem schlau kalkulierten Marketing und der damit provozierten Zuschauer- und Zensorenhysterie. Die Geschichte einer Mythisierung.

Die Mafia bringt den Film ins Kino

Weil der Film, obwohl er nur eine kleine Independent-Produktion mit einem schmalen Budget von gut 80 000 Dollar war, bereits während der Dreharbeiten durch Mundpropaganda zu einem anrüchigen Ereignis stilisiert wurde, fand Hooper zunächst keinen Verleih. Weil aber die Mafia an der Ostküste sehr am Einstieg ins glamouröse Filmgeschäft drüben an der Westküste interessiert war und dies mit einem Skandalfilm ganz gut bewerkstelligen ließ, bekam Hooper einen Vertrag mit der Verleihfirma Bryanston Pictures, die dem New Yorker Mafiaboss Louis Peraino gehörte. Mit dem musste Hooper dann zwar einen langen Gerichtsstreit wegen dubioser Buchhaltung und nicht ausgezahlter Gewinnbeteiligungen führen - aber dafür förderte die halblegale Aura des Verleihs das intendierte Schmuddel-Image des Films.

Das angeblich echte Massaker

Um seinen Horrortrip durch einen Anstrich von Authentizität noch gruseliger zu machen, behauptete der gelernte Dokumentarfilmer Hooper im Vorspann, die Ereignisse hätten wirklich stattgefunden. Ein Gerücht, das sich erstaunlich lange hielt. Dabei ist der Film natürlich reine Fiktion - lose inspiriert vom Serienmörder Ed Gein, der auf einer Farm mindestens fünfzehn Menschen tötete und zum makabren Paten diverser Horrorfilme der Sechziger und Siebziger wurde. Unter anderem auch von Alfred Hitchcocks "Psycho".

American Gothic

Bis weit in die Sechzigerjahre hinein war der Haupthandlungsort im amerikanischen Kino - abgesehen vom Western - in erster Linie die Großstadt. Erst durch Regisseure wie Tobe Hooper, der das "Texas Chainsaw Massacre" in der texanischen Einöde ansiedelte, entdeckte Hollywood das Hinterland und seine Abgründe. American Gothic, wie sie so gnadenlos zuvor nie gezeigt worden war: kein ländliches Idyll mehr, sondern ein Spiegelbild der Stimmung im Land, zwischen Desillusionierung und Perspektivlosigkeit.

Fleischerhaken ohne Blut

Das "Texas Chainsaw Massacre" ist das perfekte Beispiel dafür, wie die Imagination der Zuschauer einen Film fortschreiben kann und die Phantasie schon allein durch den plastischen Titel angeheizt wird. Dabei sind die beiden Szenen, die den blutigen Mythos des Films begründeten - ein Mädchen wird lebend an einen Fleischerhaken gehängt, ein Junge im Rollstuhl mit der Kettensäge zerlegt - von Hooper absichtlich unspektakulär inszeniert worden: keine Detailaufnahmen, kaum Kunstblut. In keiner einzigen Szene sieht man die legendäre Kettensäge wirklich einen Körper berühren - aber Tonspur und Montage bewirken, dass im Kopf des Zuschauers Bilder entstehen, die er gar nicht gesehen hat.

Phantasievolle Staatsanwälte

Von diesem Phänomen sind natürlich auch Zensoren nicht ausgenommen. Weshalb die lange Zensurgeschichte des Films - etwa in Frankreich oder England, vor allem aber in Deutschland - auch eine Geschichte der Macht der Phantasie über die Realität ist. So wurde der Film hierzulande wegen Verbreitung gewaltverherrlichender Bilder nach Paragraf 131 Strafgesetzbuch erst gekürzt und dann ganz verboten. Einige der im Indizierungsverfahren genannten Gewalttätigkeiten sind aber selbst in der ungekürzten Originalfassung überhaupt nicht zu sehen - auch Staatsanwälte können sehr viel Phantasie haben. Erst seit 1. Dezember 2011 steht das "Massacre" in Deutschland nicht mehr auf dem Index - bequeme 37 Jahre, um seinen Kultwert durch das Verbot weiter zu steigern.

Kettensägen-Slapstick

Verfolgungsjagden, bei denen der Verfolger eine riesige brummende Kettensäge vor sich her schleppt und aufpassen muss, sich beim Rennen nicht selbst ein Körperteil abzuschneiden, sind großer Slapstick. Das "Texas Chainsaw Massacre" ist auch deshalb so genial, weil es die Parodie des Genres, das es bedient, gleich mitliefert.

Der Horror, der Horror

Was den Film letztlich wirklich zum Horrorfilm macht, ist Hoopers Ansatz, ihn nach den Regeln eines richtigen Albtraums zu erzählen: die konfusen Dialoge, die Unmittelbarkeit, mit der die Geschehnisse aufeinanderfolgen, die bis zur Desorientierung gemischten Geräusche und Bildfolgen - eine ziemlich raffiniert inszenierte Traumlandschaft. Weshalb auch weder die drei Fortsetzungen noch die drei Remakes an den gruseligen Mythos des Originals anknüpfen konnten. Statt lustvoll, fast schon naiv mit der Phantasie des Zuschauers zu experimentieren, setzten sie auf genau jene chirurgisch-blutigen Detailaufnahmen, die das Horrorkino heute in den Mittelpunkt stellt. Und die Hooper unbedingt vermeiden wollte.

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