Klassik:Weltgeschichte als Posse

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Oper Julius Cäsar in Ägypten, Oper Halle

Grga Peroš und Vanessa Waldhart als Cäsar und Kleopatra und die Frage, wer hier eigentlich gerade wen einwickelt.

(Foto: Anna Kolata)

Bei den Händel-Festspielen in Halle zeigt Peter Konwitschny an "Julius Cäsar", wie machtstrategisch Händel seine antiken Stoffe interpretierte.

Von Wolfgang Schreiber

Georg Friedrich Händel ist der produktivste Opernträumer der Musikgeschichte, der mal zynisch, mal subversiv-grotesk die antiken Mythen und die römische Historie zum Musiktheater verwurstet hat - so auch 1724 mit der Oper "Giulio Cesare in Egitto". Dem deutschen Komponisten in London, den die Briten seit je als den Ihren ansehen, widmet seine Geburtsstadt Halle an der Saale alljährlich die Händel-Festspiele. Also spürte der britische Botschafter in Berlin, Sir Sebastian Wood, als Schirmherr des Festivals jetzt die Pflicht zu einer Rede vor der Opernpremiere, ohne dabei leider auch nur mit einem Wort auf Händels Frechheiten einzugehen.

Nur Intrige, Gewalt und erotische Gier formen Händels Opernhandlungen. Der abgeschlagene Kopf des Cäsarfeinds Pompejus, den man Cäsar bei der Landung in Ägypten devot überreicht, ist nur der Startschuss, der alles durcheinander bringt. Erst recht, wenn Peter Konwitschny das Händeltheater aufmischt, das er schon in den achtziger Jahren in Halle inszenatorisch erkundet hatte. Und noch immer geht der mittlerweile 74-Jährige mit großer Fantasie, viel Eigensinn und wilder Bilderlust an die interpretatorische Arbeit.

Nicola Hayms italienisches Libretto wird in neuer deutscher Version von Werner Hintze präsentiert. Was zu holpernden Sprachrhythmen und Konsonantenwirrwarr führt - wenn etwa Kleopatra ihr inständiges Lamento "Piangerò la sorte mia" auf deutsch artikuliert (Ohne Trost kann ich nur klagen). Vanessa Waldhart singt es entzückend herzlich.

Konwitschnys Eingriffe wollen moderne Erkennbarkeit mit seinem ausgefuchst kindlichen Spieltrieb vereinbaren. So verdoppelt er den Sesto, Sohn des ermordeten Pompeius und der Cornelia, mit einem Knaben, der über die Bühne tollt und die Verehrer seiner Mutter frech maßregelt: "Lass die Pfoten von meiner Mutti". Der abgeschlagene Pompejus-Kopf, Counter Jake Arditti, singt aus dem Bühnenboden heraus die Sesto-Arien mit Bravour. Es überwiegen, gegen die Händeltradition der Frauenvokalfarben, die Männerstimmen, als Cäsar trumpft Grga Perošmit Körperwucht und Koloraturengewicht auf.

"Ich kam, sah und siegte" - das historische Cäsar-Zitat diente Händel als Spott auf alle Eroberungsgewalt. Für Konwitschny wird die Oper zur ironischen oder aggressiven, durch Händels melodisches Genie auch lyrischen Revue. So wie Richard Jones vor 25 Jahren den Münchner "Cesare" zum genialen Operettentheater mit seelentiefen Arien umfunktioniert hatte. Konwitschny gelingt es, etwa das "Arbeitsessen", das Cäsar dem Ägypterkönig Ptolemäus gönnt, als Slapstick der großen Jagdarie "Va tacito e nascosto" zu verballhornen, mit einer Solo-Hornistin auf der Bühne sowie zwei Vorkostern, die am Ende vergiftet niedersinken. Der Musikzauberer Konwitschny kann eine von der Solo-Violine begleitete Arie zur hochemotionalen Hommage an Händels Musik veredeln.

Die Schönheit der Oper wird musikalisch eingelöst, da Michael Hofstetter und das "Händelfestspielorchester" mit bedachtsamem Zugriff fest umrissene Klangbilder entstehen lassen. Die mit laubsägeflächigen Pyramiden und Palmen versachlichte Bühne von Helmut Brade hatte eine stilisierte Monumentalität vorgegaukelt. Für Konwitschny, so sagt er, ergibt sich die Aktualität "aus Details, aus menschlichen Verhaltensweisen". Dem dient das Ende: Der Regisseur lässt dem mechanisch barocken Finalchorjubel ein erlösendes Nachspiel folgen, das Duett der tragischen Frauen Cornelia (Svitlana Slyvia) und Kleopatra - bevor der Abschiedsklang von Gitarre und Theorbe in negativer Utopie verlischt.

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