Klassik:Revolutionäre Geister

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Die "Residenzwoche" im hundertsten Jahr des Freistaates

Von Klaus Kalchschmid, München

Das Eröffnungskonzert der 17. Residenzwoche war im Cuvilliés-Theater einer "Musikalischen Akademie am Münchner Hof" gewidmet. Von der "Accademia di Monaco" wurde dem Genius loci gehuldigt, also Wolfgang Amadeus Mozart - mit Ouvertüre, Ballettmusik und Arien aus "Idomeneo", der 1781 in diesem Rokoko-Schmuckkasten uraufgeführt worden war, oder seinem Umfeld. Weil Mozart auch das F-Dur-Klavierkonzert KV 459 mutmaßlich in der Residenz gespielt hat, stand es mit Lauriane Follonier am Hammerflügel ebenfalls auf dem Programm.

Da war das Orchester freilich noch über-vorsichtig und allzu zurückhaltend, um ja nicht das leise, unglücklich seitlich postierte Instrument zu übertönen. Mehr Prägnanz, Präzision und Überzeugungskraft offenbarte das auf Originalinstrumenten spielende Orchester unter Joachim Tschiedel im zweiten Teil, als sie die junge Sopranistin Marie-Sophie Pollak bei Arien von Antonio Salieri, Vicente Martín y Soler und Mozart begleiteten.

Auch das übrige Programm der "Residenzwoche" kann sich wieder sehen und hören lassen: Da ist wie stets Renaissance-Musik im Antiquarium von 1584, etwa Motetten und Lieder Ludwig Senfls und seiner Zeitgenossen Heinrich Isaac und Josquin mit dem Tenor Ivo Haun, begleitet von "I Fedeli", also Zink, Schalmei, Posaune, Dulzian und Spinett (18.10.). "InVocare" präsentiert im Schwarzen Saal (17.10.) Vokalmusik seines ungleich berühmteren Nachfolgers Orlando di Lasso an der Spitze der Münchner Hofkapelle sowie von Ivo de Vento, der ebenfalls 1556 als Zwölfjähriger zur Hofkapelle kam und dort mit Unterbrechungen bis zum frühen Tod mit 31 Jahren als Sänger und Komponist wirkte.

In diesem Jahr strahlt das Programm bis ins Heute: Ein Nachtkonzert mit Christian Elin (Saxofon, Bassklarinette) und der Münchner Gambistin Friederike Heumann schlägt im Antiquarium eine Brücke von der Renaissance ins 21. Jahrhundert (20.10.). Auch die "Singphoniker" wechseln zwischen den musikalischen Welten und Zeiten, wenn sie zum 100. Gründungstag von Freistaat und Schlösserverwaltung in der Allerheiligen-Hofkirche Ständchen, Serenaden, Volkslieder und Popsongs bei-steuern (21.10.). In diesem ehemaligen Sakralraum der Wittelsbacher kreist unter dem Motto "Poesie und Revolution" alles um das Jahr 1918. Anna Karmasin, am Flügel begleitet von Rie Kamura, sowie die Schauspieler Lena Hilsdorf und Hardy Punzel gestalten einen Abend rund um Lieder von Rudi Stephan und Alban Berg sowie Texte von Ernst Toller, Erich Mühsam und Kurt Eisner (19.10.). Er rief am 7. November 1918 die Republik und den Freistaat Bayern aus.

© SZ vom 15.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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