Süddeutsche Zeitung

Klassik:Musik, in die man sich fallen lässt

"Beethoven bewegt": Anlässlich des 250. Tauftags des Komponisten startet der Bayerische Rundfunk ein Großprojekt, das Einsteigern wie auch Experten die Klassik näherbringen soll

Von Sara Maria Behbehani

Beethoven hat es geschafft, die Welt mit seiner Musik zu umarmen", sagt die Pianistin Sophie Pacini bei der Vorstellung des BR-Großprojekts "Beethoven bewegt". Das umfangreiche Programm, das in diesen Tagen startet, bietet Klassik-Einsteigern wie -Experten die Möglichkeit, ein Jahr lang den Komponisten und seine Werke zu entdecken. Bayernweit wird es bis zum 17. Dezember 2020, dem 250. Jahrestag des Taufdatums Ludwig van Beethovens, Konzerte mit Pacini und anderen Künstlern geben, dazu digitale Medienangebote wie einen Podcast mit dem Pianisten Igor Levit und einen Kreativwettbewerb für Kinder unter der Schirmherrschaft der Geigerin Anne-Sophie Mutter. Außerdem wird Pacini sechs Hauskonzerte geben und es Menschen somit ermöglichen, die Musik im engsten Kreis in ihren eigenen vier Wänden zu erleben. Von Montag, 16. Dezember, an ist das Bewerbungsformular für die Hauskonzerte auf der Internetseite von BR-Klassik freigeschaltet.

Warum Beethoven auch im Jahr 2020 noch nichts an Bedeutung eingebüßt hat, weiß Pacini sehr genau. Die Botschaft Beethovens sei eine der Humanität, sagt sie und kommt auf Beethovens neunte Sinfonie zu sprechen. "Wenn man Beethovens Neunte hört, dann denkt man, man könnte die Welt umarmen", sagt Pacini und erinnert an die Worte: "Alle Menschen werden Brüder". In dieser Musik stecke eine "bedingungslose Liebe zur Menschheit". Als Botschafterin des Projekts "Rhapsody in School", einer Bildungsinitiative von Spitzenmusikern für Schüler aller Altersgruppen, ist es Pacini auch wichtig, jungen Menschen klassische Musik näher zu bringen. "Es gibt diesen Moment, in dem man es zulassen muss", sagt sie, aber wenn sich die Schüler einmal darauf eingelassen hätten, seien sie begeistert. Oft höre sie von den Jugendlichen dann: "Ey, das hätte ich jetzt nicht gedacht, dass das so krass ist."

In den sozialen Medien erreicht Pacini ebenfalls eine Generation, die nicht unbedingt jene ist, die heute die Konzertsäle füllt. "Für einen Moment hat die Welt mal angehalten und ich bin bei mir", habe ihr ein Follower einmal auf einen Videopost geantwortet. Und das ist das, wozu Beethoven die Menschen befähige, glaubt Pacini: "Beethoven war der Komponist, der mich dazu bewegt hat, meinen eigenen Weg zu gehen, gegen den Strom", sagt sie. "Er hat mir einen Glauben an die eigenen Ideale mitgegeben. Junge Menschen finden durch die Musik zu sich selbst - wenn sie mal loslassen."

Doch nicht nur Klassik-Experten und Künstler haben sich dem Projekt "Beethoven bewegt" verschrieben. Der Sternekoch Alexander Herrmann ist Projektbotschafter, stellvertretend für all jene, die die Klassik lieben, aber noch keine Experten sind. Die Liebe zur Klassik habe er schon früh verspürt. Richtig angekommen sei er aber bei ihr, als er im Radio die üblichen Sender nicht mehr ertragen habe und bei der Klassik hängen geblieben sei. "Du musst Mut haben und dich hineinfallen lassen", sagt er. Und man brauche einen Einführungsvortrag, ein Wissen um das, was in der Musik passiere, um zu verstehen: "Theorie und Praxis müssen sich treffen." Gleichzeitig sei es ihm aber auch wichtig, dass er in dem Projekt so sein dürfe, wie er ist, schließlich sei das "Syndrom des Besserwissers" weit verbreitet. "Ich möchte mich auf die Seite der jungen Menschen stellen", sagt Herrmann.

An diesem Wochenende geht es los mit drei Auftaktkonzerten in den Wohnzimmern von BR-Klassik-Hörern; am 16. Dezember gibt es einen Live-Stream des Eröffnungs-Festakts zum Beethoven-Jahr. Im Januar starten dann die diversen anderen Projektteile. Sophie Pacini gibt ihre Hauskonzerte zwischen Januar und Juni. Vom 7. Januar an redet Igor Levit mit seinem Freund Anselm Cybinski in 32 Podcast-Folgen über Beethovens Klaviersonaten. Ebenso versucht er, das, was in der Musik steckt, in die Gegenwart zu holen und darauf einzugehen, was die humane Botschaft "Alle Menschen werden Brüder" für uns heute bedeutet.

Im Juni 2020 schließlich startet "Beethoven On Tour", ein Format, bei dem BR-Moderatoren Stationen von Beethovens Reise durch Bayern besuchen und dort in Gesprächen und Konzerten erkunden, was es über den Komponisten zu entdecken gibt. Für Kinder gibt es außerdem noch den Kreativwettbewerb "Beethoven Mystery XXL". Dabei geht es darum, eine Beethoven-Geschichte zu entwickeln, als Video, Comic oder Erzählung. Ziel des Großprojekts ist es für Hörfunkdirektor Martin Wagner, die klassische Musik zu entstauben und einem neuen Publikum bekannt zu machen: "Damit die Konzertsäle nicht eines Tages leer sind".

Beethoven bewegt, BR-Klassik, Beginn: Montag, 16. Dezember, 20 Uhr, Live-Stream des Eröffnungs-Festakts zum Beethoven-Jahr; weitere Infos: br-klassik.de/beethoven

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Quelle:
SZ vom 13.12.2019
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