Klassik-Kolumne:Der Liszt des Cellos

Neue Aufnahmen von Werken von Jacques Offenbach - sowie die Antwort auf die Frage, warum die CD in der Klassik noch lange nicht tot ist.

Von Harald Eggebrecht

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Wer sich mit Musikern, auch erfolgreichen, über Wert und Ziel von CD-Aufnahmen unterhält, wird wohl zuerst ungläubig stutzen. Denn wer geglaubt hat, mit CDs ließe sich Geld verdienen, den lachen die Musiker aus. Die CD sei nurmehr eine Art tönender Visitenkarte oder eine Erinnerung an einen Konzertabend, den manche Zuhörer mit dem Kauf einer Aufnahme gewissermaßen "verlängern" möchten. Gewiss, das Haptische spiele auch noch eine Rolle, weil man etwas mit nach Hause nehmen könne. Doch inzwischen sei Youtube die Wahl der Stunde, wenn es um Aufnahmen gehe. Da könne man sich schnell mal einklicken, Stichproben nehmen. Aber noch gibt es CDs, die es unbedingt verdienen, beachtet zu werden, ob sie nun auf Kosten der Musiker selbst produziert wurden oder anders finanziert sind. Dazu gehören zweifelsfrei die sechs Duos für zwei Violoncelli von Jacques Offenbach, dessen 200. Geburtstag 2019 immer noch viel zu wenig und eher konventionell gefeiert wurde. Offenbach begann seine Karriere als Cellist - man nannte ihn den "Liszt des Violoncellos" - und er hat einiges für sein Instrument geschrieben, beschwingte, attraktive Stücke, aber gepfeffert virtuos und extrem schwer zu realisieren. Darunter zwischen 1839 und 1855 sechs Bände mit Celloduos, eine Art hohe Schule des Cellospiels von den Anfängen bis aufs Hochseil. Auf dem bewegen sich die französischen Cellostars Anne Gastinel und Xavier Philipps mit Grandezza, rhythmisch ausgefeiltem Witz und gegenseitiger Befeuerung zu einer schwebenden, ja, fliegenden Leichtigkeit, die unwiderstehlich ist. So entsteht eine Welt aus melodiöser Eleganz, schönstem Zwiegesang und geistvoller Bravour. (La Dolce Volta)

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Auch George Enescu (1881-1955), Violinvirtuose, Pianist, Dirigent und darüber hinaus außergewöhnlicher Komponist, ist mit seinen Werken ein viel zu seltener Gast in unseren Konzertsälen. Immerhin wurde seine Oper "Oedipe" letzthin bei den Salzburger Festspielen eindringlich aufgeführt. Daher ist es sehr zu begrüßen, dass die Violinistin Marie Radauer-Plank und die Pianistin Henrike Brüggen neben den Violinsonaten Nr. 2 und Nr. 3 auch das frühe Impromptu concertant von 1903 und die einzigartigen Impressions d'enfance von 1940 aufgenommen haben. Während die 2. Violinsonate von 1899 schon Enescus Eigenart der ununterbrochenen Verwebung verschiedener Melodielinien vorführt, strahlt das Impromptu noch den Fin de Siècle-Geist der Jahrhundertwende aus. Enescus einzigartiger Zauber erwächst dann in der 3. Sonate und in den Impressions aus eminentem Farbsinn, harmonischer Kühnheit und einer gleichsam improvisierenden Fortspinnungstechnik. Die beiden Musikerinnen überzeugen mit gleichsam seismografischer Empfindlichkeit für die Überraschungen in Koloristik und Rhythmus dieser unverwechselbaren Musik. (Genuin)

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Auch Robert Schumanns Violinkonzert hat lange gebraucht, bis es endlich zum Repertoire "zugelassen" wurde. Zuerst verweigerten Clara Schumann und Joseph Joachim dem Stück die Anerkennung. Dann missbrauchten die Nazis Schumanns Konzert als Ersatz für das verfemte Mendelssohn-Konzert. Und manche Geiger hielten es für undankbar und sperrig. Doch der geheime Sinn, der diesem tiefgründigen Stück innewohnt und seine symphonische Perspektive, die kaum etwas mit Solistenkonzerten konventioneller Art etwas zu tun hat, wurde inzwischen von einigen Solisten unserer Tage imponierend ausgereizt. Ein wunderbar kräftiges, leuchtendes Beispiel dafür bietet die Aufnahme mit Antje Weithaas und der NDR-Radiophilharmonie unter Andrew Manze. Sie klingt so souverän im Zusammenspiel, so vielschichtig ausgearbeitet im Orchestersatz, dass es die reine Freude ist. (CPO)

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Paul Mendelssohn-Bartholdy, Bruder von Fanny und Felix, wurde Bankier nach dem Willen des Vaters. Doch war er offenbar auch ein hervorragender Cellist, denn die Stücke, die die Geschwister für ihn schrieben, verlangen technische Brillanz, poetische Kraft und kammermusikalischen Sinn. Johannes Moser am Cello und Alasdair Beatson auf einem Érard-Flügel von 1837 verwirklichen nicht nur die zwei Sonaten und die Einzelstücke von Felix Mendelssohn-Bartholdy mit fein abgestimmter Klangschönheit und jenem nervösen Puls, der seine Musik unverkennbar durchzieht, sondern zeigen bei der Fantasia und dem Capriccio von Fanny auch, wie viel Noblesse, Witz, Melancholie und Raffinesse in ihrer originellen Musik stecken. (Pentatone)

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