Süddeutsche Zeitung

Klassik:Goldmund Quartett

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Von Harald Eggebrecht

Um es gleich vorweg zu schicken: Das ist eine der muntersten und anregendsten Streichquartett-CDs der letzten Zeit. Das Goldmund Quartett (Florian Schlötz, Pinchas Adt, Violinen; Christoph Vandory, Viola; Raphael Paratore, Violoncello) ist in den zehn Jahren seines Bestehens zu einer echten Größe herangewachsen in der ungemein vielfältigen Quartettlandschaft der Gegenwart. Dabei haben die Vier den Grundcharakter ihres Vortragsstils nie verloren, der von erfrischender Unbekümmertheit und Spiellust geprägt ist. Doch zupackender Schwung und klangliche Direktheit allein machen noch kein exzellentes Streichquartett aus. Von dem will man auch impressionistische Raffinesse, Schostakowitsch--Herbheit oder Dvorák-Seligkeit ebenso wie Wiener-klassischen Witz bei Haydn, Geistreichtum bei Mozart und Radikalität bei Beethoven. All das haben sich die Goldmunds nicht nur erarbeitet, sondern ihrem ureigenen Idiom imponierend anverwandelt.

Das Album "Travel Diaries" (Berlin Classics) versammelt Stücke von fünf zeitgenössischen Komponisten, deren gedankliche, klangliche und spieltechnische Verschiedenartigkeit den "Goldmündern" all ihre musikalische Versiertheit und auch die ihnen ureigene Unbefangenheit abfordert. Doch klingen die Ergebnisse nie bemüht oder nur erkämpft, sondern die Musiker zeigen, was etwa in Fazil Says "Divorce", also Scheidung, an dramatischen Zuspitzungen steckt, ohne aber die Kraftakte zu übertreiben, wenn es um emotionale Höhen und Tiefen geht. Oder sie entfalten Dobrinka Tabakovas "The Smile of the Flamboyant Wings" so heiter-entspannt, dass sich die Klangflächen wie von selbst als weite Landschaften öffnen. Dass sie bei der knorrigen Wucht, aber auch meditativen Nachdenklichkeit von Wolfgang Rihms 4. Quartett genauso zu Hause sind wie bei Bryce Dessners "Aheym", in dem sich Unisono-Rabiatheit mit rhythmisch vertrackten Vernetzungen abwechseln, lässt sich beeindruckend hören. Zusätzliches Vergnügen bereitet das Booklet, in dem die Musiker von ihren Begegnungen und der Zusammenarbeit mit den Komponisten so erzählen, wie sie spielen: aufmerksam zuhörend, sensibel, dabei voll ungestillter Neugier und jugendlichem Mut.

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Quelle:
SZ vom 06.06.2020
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