Süddeutsche Zeitung

Klassik:Feine Sinnlichkeit

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Das Orchestre Philharmonique du Luxembourg in der Philharmonie

Von Klaus Kalchschmid, München

Richard Wagners "Tannhäuser"-Ouvertüre der Dresdner Fassung verschränkt mit dem Bacchanal der Pariser Version ist immer wieder ein höchst effektvolles Stück. Und es wirkt am besten, wenn keine Kopulations-Gymnastik oder, wie derzeit an der Bayerischen Staatsoper, zwei Dutzend barbusige, scharf schießende Bogenschützinnen ablenken. So war dies beim großartigen Abend des exzellenten Orchestre Philharmonique du Luxembourg unter seinem jungen charismatischen Chef Gustavo Gimeno in der Philharmonie: Ob sentimentales Leidenspathos des Pilgerchors oder abgründig schwüle Ekstase des Venusbergs - schöner und erotischer kann man das nicht musizieren.

Diese feine Sinnlichkeit durchströmte nach der Pause auch Claude Debussys farbig hispanophiles "Ibéria" aus "Images" und die nicht minder assoziationsgesättigten musikalischen Imaginationen von Naturphänomenen wie Sonnenlicht, Wind und Wasser in den "Trois Esquisses Symphoniques" unter dem Titel "La Mer". Auch hier beglückte die Balance zwischen den einzelnen Orchestergruppen, faszinierten die feinen Abstufungen der instrumentalen Farben, stachen einzelne Soli von Flöte oder Violine sanft hervor oder begeisterte das immer wieder zupackend modellierte und zu Höhepunkten gesteigerte musikalische Geschehen.

Dazwischen gab es pianistischen Zirkus pur - in Gestalt des zweiten Klavierkonzerts von Franz Liszt. Khatia Buniatishvili ließ den Steinway in den hellsten Farben gleißen und glitzern, während auch das Orchester bestens aufgelegt die herrlich ranschmeißerischen Melodien zelebrierte und in jedem Takt mit Ausrufezeichen demonstrierte: klassische Musik muss nicht immer tiefgründig vergrübelt sein, sie darf auch mal extrovertiert einfach nur gute Laune verbreiten. Dabei beschlich einen das Gefühl: Was für zündende Musicals hätte Liszt wahrscheinlich heute komponiert! Danach noch einmal eine virtuos zirzensische Zugabe und ein letztes Encore: wohl eine zarte Bach-Busoni-Bearbeitung.

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Quelle:
SZ vom 22.01.2018
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