Klassikkolumne:Zauberwelten

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Die neuen Klassik-CDs stellen Fragen: Gibt es ein weibliches Bach-Spiel? Hätte sich Margarete von Österreich über die neue CD der Sopranistin Dorothee Mields gefreut, und wie hören sich herbstliche Einsamkeiten an?

Von Reinhard J. Brembeck

Eloïse Bella Kohn, 1991 in Paris geboren, spielt mit melancholisch tänzerischer Eleganz. Mit ihrer ersten Platte legte sie die 24-Debussy-Préludes vor, denen sie jetzt Johann Sebastian Bachs "Die Kunst der Fuge" folgen lässt. Das ist kühn, aber ihr Bach ist eine überraschende Wohltat. Weil sich Eloïse Bella Kohn in keinem Moment in die spieltechnischen und kompositorischen Kompliziertheiten dieser Sammlung von vierzehn Fugen und vier Duetten verbeißt, sondern in der Tradition großer Bach-Spielerinnen wie Wanda Landowska, Zuzana Ružickova oder Angela Hewitt nicht den strengen weltfremden Denker herausmeißelt, sondern die Musik humanisiert, aufblühen lässt. Gibt es ein weibliches Bach-Spiel? Es ist ein Vergnügen, Eloïse Bella Kohns Fugenkunst 80 Minuten lang anzuhören. Sonst fällt dem Hörer auf Anhieb keine Aufnahme dieses molllastig düsteren Zyklus ein, die er durchwegs mit Vergnügen anhören würde. Und vor diesem Vergnügen verstummen auch die bei dieser Sammlung üblichen akademischen Fragen zu Besetzung, Anordnung, Vollendung. Zumal die von Kohns Lehrer Tierry Escaich vollendete "Unvollendete Fuge" (gehört sie überhaupt zu diesem Zyklus?) sich hier sehr selbstverständlich als Schlussstück des Plaisirs einfügt. (Hänssler Classic)

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Einhundert Jahre lang war Burgund mit Dijon als Hautstadt das Zentrum Europas, auch musikalisch. Der letzte der nur vier Burgunder-Herzöge hatte eine Erbtochter, Maria, die vom Habsburger Kaiser weggeheiratet wurde. Sie zeugten Margarete von Österreich, eine politisch aktive, gebildete und kunstsinnige Frau. Verheiratet war sie mit dem französischen und dem spanischen Thronfolger, beide Ehemänner starben schnell, sie arbeitete dann als des Vaters Statthalterin der Niederlande an ihrem Hof in Mechelen und starb 1530. Ihr Musikgeschmack ist in dem nach einem Sammler benannten Basevi Codex zu bestaunen, der 87 Stücke der damals besten Komponisten enthält: Johannes Ockeghem, Pierre de la Rue, Jacob Obrecht, Loyset Compère, Antoine Brumel. Die auf Wiederbelebung solcher Musik erpichte Sopranistin Dorothee Mields hat zusammen mit dem Boreas-Quartett-Bremen (vier Blockflöten!) ein Viertel dieser wundervollen Stücke aufgenommen: keusch und kühl und untergründig faszinierend. Margarete hätte eine Riesenfreude am Musizieren dieser fünf Frauen gehabt. (Audite)

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Der Dirigent Sylvain Cambreling, 1948 geboren im nordfranzösischen Amiens, ist ein leiser Großmeister, dem Mozart, Wagner und Verdi genauso liegen wie lebende Komponisten, die er gern, viel und betörend aufführt. Cambreling war Chefdirigent der Opernhäuser in Brüssel, Frankfurt, Stuttgart, er hat das für sein Modernefaible berühmte SWR-Orchester in Baden-Baden/Freiburg geleitet und ist seit drei Jahren Chef der Hamburger Laeiszhallen-Symphoniker. Mit denen hat er jetzt für das hauseigene Label eine neue Wunder-CD produziert: "Einsamkeiten. Vier Stücke". Den Rahmen setzt Philippe Boesmans, dazu gibt es Giacinto Scelsis Verrücktheit der vier Orchesterstücke über eine einzige, in ihre mikrotonalen Fasern sich aufspleißende Note sowie die Napoleon-Ode von Arnold Schönberg, die den Untergang des großen Erneuerers besingt. Das sind drei ganz verschiedene Ästhetiken, und die Hörerin ist deshalb gut beraten, all das nicht hintereinander zu hören, sondern portioniert. Für den Auftakt eignet sich bestens das Schlussstück, Philippe Boesmans "Trakl-Lieder", die herbstliche Einsamkeiten verhandeln, zart und der Welt entgleitend. Hohn und Spott zieht sich durch die sich zwiespältig zu Demokratie und Freiheit bekennende Napoleon-Ode. Die große Überraschung aber sind Boesmans "Chambres d'à côté": Klangfarbensprühereien!

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Einsamkeiten hat auch Philippe Boesmans belgischer Landsmann Eugène Ysaÿe (1858 - 1931), ein geigender Komponist, in seinen sechs Soloviolinsonaten kurz nach dem Ersten Weltkrieg zusammengestellt. Das Vorbild Johann S. Bach schimmert zwar manchmal durch, aber der vor 90 Jahren gestorbene Eugène Ysaÿe ist vor allem ein Träumer. Mal verliert er sich in Impressionismen, kann auch als Bauer tanzen, in Melancholie schwelgen, Obsessionen skandieren, Schatten und Jenseitsweltliches und Düfte beschwören, rasen, ruhen, raunen. So erschafft Ysaÿe auf der Violine eine ganze Zauberwelt samt ihren Widersprüchlichkeiten, und Maxim Brilinsky, Mitglied der Wiener Philharmoniker, erforscht jeden Winkel darin. (Hänssler Classic)

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