Süddeutsche Zeitung

Klassik:Ein Gesang der Hoffnung

Lesezeit: 2 min

Die Salzburger Festspiele dürfen nicht komplett ausfallen. Stattdessen sollte man sich ein ganz besonderes Konzert einfallen lassen.

Von Reinhard J. Brembeck

Jeder Mensch geht derzeit davon aus, dass die Salzburger Festspiele abgesagt werden. Die Salzburger Festspiele aber - geplanter Beginn 18. Juli - sind noch nicht abgesagt, und sie dürfen auch nicht abgesagt werden. Das mag weltfremd klingen, zumal auch schon die Bayreuther Festspiele, die Ruhrtriennale, die Festivals in Avignon und Aix-en-Provence abgesagt sind und sich die Opernhäuser zunehmend Gedanken machen müssen, ob sie wie geplant im Herbst in die kommende Spielzeit starten können.

Eben deshalb ist es so wichtig, dass ein weltberühmtes Festival sich gegen diese Absage-Orgie stellt und allen Künstlern und Menschen ein wenig von dem vermittelt, was ihnen Politiker wie Markus Söder verweigern: Hoffnung. Denn Hoffnung ist im derzeitigen Klima aus Existenzängsten, Verzweiflungen und Unsicherheiten jene knappe Ressource, die viele Menschen überhaupt die gängigen Einschränkungen ertragen lässt.

100 Jahre Salzburger Festspiele, 250 Jahre Beethoven - da muss etwas möglich sein

Natürlich werden auch die Salzburger Festspiele nicht in der geplanten Form mit ihren Hunderten von vollbesetzten Veranstaltungen stattfinden. Aber ein bisserl was geht immer. Vielleicht wird es nur ein einziges Live-Konzert im Großen Festspielhaus sein mit den stark reduzierten Wiener Philharmonikern, vor gar keinem Publikum oder nur vor wenigen, vielleicht nur 25 Menschen? Das sollten keine Politiker und keine Promis und keine Kultur-A-Dabeis sein, sondern Kassiererinnen, Pfleger, Krankenschwestern, Ausfahrer, die niedrigentlohnten Vorkämpfer gegen die Seuche.

Es müsste einerseits ein festspielwürdiges und auf höchstem Niveau gespieltes Konzert sein. Auch weil die Salzburger Festspiele ihren 100. und der Wahl-Wiener Ludwig van Beethoven seinen 250. Geburtstag feiern. Und weil live feiern immer auch Hoffnung und Zusammensein von Menschen bedeutet.

Es müsste auch ein Konzert sein, das sich nicht im Klassikbetrieb eskapistisch wegduckt in seinem Elfenbeinturm, sondern die Situation ernst nimmt. Ein Konzert, das die Toten genauso ernst nimmt wie den unaufhörlichen Kampf fürs Leben. Aber auch den Umstand, dass Live-Konzerte auf lange Zeit hinaus nicht mehr so wie bis vor einem Monat gewohnt möglich sein werden. Repertoire dafür gäbe es genug: Arnold Schönbergs "Der Überlebende von Warschau", Krzysztof Pendereckis den Überlebenden von Hiroshima gewidmeten "Threnos", eines der angesichts größter Aussichtslosigkeit dennoch hoffnungsgesättigten Stücke Luigi Nonos oder den "Canto di speranza" von Bernd Alois Zimmermann.

Das alles klingt pathetisch. Aber der Hoffnung wohnt immer ein pathetisches Element inne. Das weiß auch Salzburgs Festspielchef Markus Hinterhäuser. Hoffentlich verweigert er deshalb bis zum letzen Moment die Absage der Festspiele.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4887181
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 25.04.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.