Süddeutsche Zeitung

Klassik:Der Symphoniker Carl Stamitz

Von Helmut Mauró

Zunächst war sein Vater Johann Stamitz, Chef der Mannheimer Hofkapelle, berühmter als er. Der hatte den legendären "Mannheimer Stil" entwickelt, der schließlich zur großen klassischen Symphonie führte. Man hatte nicht nur den Orchesterklang vergrößert - 1758 kamen die von Mozart so geliebten Klarinetten hinzu, sondern durch effektvolle Tonfiguren - wie die "Mannheimer Rakete", das Crescendo, das Unisono, den Mannheimer Seufzer, die Mannheimer Walze - ein idiomatisches Vokabular geschaffen, das bis heute große Wirkung erzielt. Vor allem die Qualität der Musiker machte das Mannheimer Orchester in ganz Europa berühmt. Mozart war so begeistert, dass er Monate dort verbrachte.

1762 kam der Sohn, Carl Stamitz, als zweiter Geiger ins Orchester, 1770 zog er mit seinem jüngeren Bruder nach Paris, wo er als Hofkomponist des Herzogs Louis de Noailles reüssierte. Mannheimer Musik, das war das Modernste, Aufregendste, was man seinen reichen Freunden bieten konnte. Aus seiner Pariser Zeit stammen auch die Symphonien, die das Ensemble Amadeus so eindrucksvoll im neuen Album präsentiert (auris classic). Die Musiker haben sowohl den historischen Rokoko-Klang im Bewusstsein mit seinen zarten Melodien und sanften harmonischen Übergängen, wie auch die kraftvolle Aufbruchstimmung, die mit dem Mannheimer Orchesterklang verbunden ist. Weiterhin gelten Stamitz und seine Zeitgenossen ja als "Vorklassiker", als Vorgruppe zu Mozart und Beethoven. Aber diese Symphonien sind nicht nur Vorarbeiten für spätere Hauptwerke. Sie sind selber Meisterwerke ihrer Zeit, die bis heute ihre Qualität behaupten. Wenn sie denn, wie hier, von den ausführenden Musikern ernst genommen werden.

Carl Stamitz jedenfalls konnte sich über mangelnde Resonanz nicht beklagen, er reiste durch ganz Europa, wozu damals natürlich auch Russland gehörte und gab unter anderem 28 Konzerte in Den Haag; bei einem saß der 12-jährige Ludwig van Beethoven am Soloklavier. Wie diesem blieb auch Carl Stamitz das private Glück versagt, seine Kinder starben früh, dann die Frau, im gleichen Jahr, 1801, auch er. Sein Werk wurde in alle Winde zerstreut, vieles ist bis heute verschollen.

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Quelle:
SZ vom 17.11.2018
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