Klassik:Der Posaunist Michael Buchanan

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(Foto: Label)

Von Harald Eggebrecht

Es dürfte kaum ein Instrument geben, mit dessen Klang man nicht unmittelbare bildmächtige Assoziationen verbindet. Bei der Flöte ist der Rattenfänger nicht weit, die Violine scheint mit dem Teufel im Bunde, Pauken und Trompeten künden den Herrscher an, und die Posaune erklingt, wenn das Ende der Welt droht. In der Musik wird dieses schon im 15. Jahrhundert erwähnte Instrument spätestens seit dem 18. Jahrhundert gern für ernste, feierliche, grandiose oder hehre Momente eingesetzt.

Es ist der große singende Ton, der an tönende Bronze denken lässt. Kein großer Orchestersatz, der nicht durch den ehernen Klang der Posaunen veredelt würde, keine Big Band, deren Sound nicht durch die Posaunen ins Großartige gesteigert würde. Sie ist außerdem eines der ältesten chromatisch spielbaren Instrumente, sodass sie sogar überraschend beweglich und virtuos bis zur Klangverfremdung gespielt werden kann, wenn man's kann. Das Gesangliche, das Appellatorische und das in gleichsam vielen Sprachen Sprechende haben außergewöhnliche Jazzposaunisten wie etwa Albert Mangelsdorff oder in der Neuen Musik Posaunenmeister wie Vinko Globokar ins schier Unglaubliche ausexperimentiert. Keine Klangmaske, die solche Könner der Posaune nicht "aufsetzen" können. Ihr Repertoire reicht vom Quaken bis zur schnatternden Karikatur, vom Stöhnen und Ächzen bis ins Wehen des Atemwindes. Der hervorragende, junge britische Posaunist Michael Buchanan, Jahrgang 1993, ist mit seinem Instrument auf spirituelle Klangspurensuche in vier Großreligionen - christlich, jüdisch, muslimisch und Zen-buddhistisch - gegangen. Er ist überzeugt, dass letztlich in allen vier Religionen Wahrheitsfragmente des einen "ungreifbaren ersten Bewegers" aufscheinen. So bewegt er sich vom Prelude aus Johann Sebastian Bachs 2. Cellosuite zu Max Bruchs "Kol Nidrei" oder zum Solostück "Keren" (hebräisch für Horn) von Iannis Xenakis. Das Singende und Nachsinnende steht im Vordergrund, auch das Grüblerische, das in jeder Beschäftigung mit dem Geistigen steckt. So singt die Posaune mystische Sufi-Lieder oder folgt Arvo Pärt in die minimalistische Innenschau und vertraut sich Toru Takemitsus meditativer Zen-Musik an.

© SZ vom 29.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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