Klassik:Bryn Terfel

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Von Helmut Mauró

Man hätte gar nicht vermutet, dass dieser mächtige walisische Bassist zu solch feinen lyrischen Zwischentönen fähig ist, und dass er am Ende sogar mit seiner Teufelsarie aus Boitos "Mefistofele" zu großer Show-Form aufläuft. Bryn Terfel offenbarte bei seinem Festspiel-Liederabend an der Bayerischen Staatsoper eine große Bandbreite an stimmlichen und darstellerischen Facetten, vom lyrischsten Mezza Voce bis zur massigen Opernröhre. Und brachte dazu noch die englischen und walisischen Komponisten John Ireland, Roger Quilter, William Stanley Gwynn Williams und Owen Williams dem begeisterten Publikum nahe. Auch Ralph Vaughan Williams - die genannten sind nicht verwandt - tauchte hier nicht wie gewohnt mit großflächiger Symphonik auf, sondern mit vier Preziosen aus dem Liederzyklus "The Songs Of Travel" nach Gedichten des Schatzinsel-Autors Robert Louis Stevenson. Wenn man Bryn Terfel in seinen großen Opernrollen erlebt hat, etwa als Göttervater Wotan in Wagners "Ring", war man überrascht, wie vorsichtig sich diese stimmliche Urgewalt in die spätromantische englisch-walisische Liedkunst einfühlte. Hierzulande kann man ja zu dem Eindruck gelangen, das Kunstlied sei etwas genuin Deutsches, dabei ist es die wohl integrierendste Gattung überhaupt. In den englischen Liedern kann man zum Beispiel erleben, wie eng Text und Ton verbunden sein können, wie sehr nicht nur die Lyrik in der Musik aufgeht, sondern auch umgekehrt die Musik sich immer wieder an den Text heranschleicht und in ihn hineinkriecht, wie sie Stimmungen und Metaphern klanglich auffächert, ohne sie dominant zu überdecken. Das ist im deutschen Lied oft anders. In den Liedern von Johannes Brahms im zweiten Teil des Abends breitet sich die Klavierbegleitung gleich virtuos aus - der Pianist Malcolm Martineau hatte damit allerdings keine Probleme -, und der Sänger muss sich seinen Freiraum erobern, ohne selbst allzu massiv aufzutrumpfen. Bryn Terfel schaffte das, indem er - außer in Robert Schumanns "Belsazar" - nicht allzu sehr den wahren und falschen Interpretationsklischees deutschen Liedgesangs frönte, sondern noch einen Gutteil seiner Insel-Ästhetik beibehielt, bei der die Zurückhaltung nicht nur als gute Umgangsform gilt, sondern auch als künstlerisches Potenzial, das aus dem Ausgleich des erzählenden Gesangs und der begriffslosen instrumentalen Klangrede ein neues starkes Ganzes entwickelt. Dazu braucht man einen Klavierbegleiter wie Malcolm Martineau, der einerseits in selbstsicherer Distanz und Eigenständigkeit bleibt und sich andererseits nicht zum Konkurrenten aufspielt. Insofern hatte Terfel an diesem Abend beste Voraussetzungen, und nutze sie. Als intimer Liedsänger ebenso wie als Bühnentier.

© SZ vom 13.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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