Klassik:Anlass zum Lobpreis

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Kent Nagano dirigiert Olivier Messiaens selten zu hörendes und schwieriges Großwerk "La Transfiguration de Notre Seigneur Jésus Christ" in der Münchner Philharmonie.

Von Michael Stallknecht

Seinen persönlichen "Retter" nennt der Dirigent Kent Nagano den Komponisten Olivier Messiaen: Erst durch die persönliche Begegnung mit diesem habe sich ihm, dem Kalifornier, die europäische Kunstmusik ganz erschlossen. Rettern aber schuldet man Dank, Nagano erstattet ihn, indem er regelmäßig die Werke des 1992 gestorbenen Komponisten dirigiert, auch die unbekannteren. Mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks hat er nun in der Münchner Philharmonie "La Transfiguration de Notre Seigneur Jésus-Christ" realisiert, das schon wegen seines Umfangs und des erforderlichen Aufwands kaum je live zu hören ist.

Vier Jahre hat Messiaen an dem Werk gearbeitet, das um das Ereignis kreist, das die Bibel als "Verklärung" kennt: Der Körper Christi wird zwischen den Propheten Moses und Elias von überirdischem Licht durchstrahlt, eine Stimme aus einer Wolke verkündet seine Gottessohnschaft. Für den Christen Messiaen war das Anlass zum Lobpreis und Vorschein des Paradieses.

Alle typischen Elemente von Messiaens Musik finden sich hier: die Lichtmetaphorik mit ihren Brechungen in verschiedenen Orchesterfarben, die modale Harmonik, die frei schwingende Rhythmik, vor allem aber auch die Imitation der Vögel, die sich als gefiederte Boten Gottes einstellen.

Deutlicher als im riesig besetzten Orchester hört man ihre Rufe bei den sieben Solisten, darunter Pierre-Laurent Aimard, der den monströs langen und schwierigen Klavierpart mit unbewegter Lässigkeit auf den Punkt bringt. Den Rest der Soli können die BR-Symphoniker mit Lionel Cottet (Cello), Henrik Wiese (Flöte), Stefan Schilling (Klarinette), Christian Pilz, Guido Marggrander und Jörg Hannabach (Schlagzeuger) fast vollständig aus den eigenen virtuosen Reihen stellen.

Der Chor des BR rezitiert die neogregorianischen Passagen in klarster Diktion, zeigt daneben ein ebenso intensives, ins Geheimnis weisendes Piano wie ein klangstarkes, aber rundes Forte. Messiaen hat sein Werk in zwei Siebenteilern strukturiert, die jeweils mit einer Rezitation aus dem Matthäus-Evangelium beginnen und mit einem Choral enden. Doch im Kern will "La Transfiguration" eher Ritual als Erzählung sein, kreist darum meditativ um sich selbst. Im zweiten Teil des Abends führt dies zu einer gewissen Ermüdung. Dennoch ist es richtig, dass Nagano hier nicht mit Dramatisierung nachhilft. Es zeigt sein Vertrauen in das Werk, das er am 22. Juli in gleicher Besetzung wieder dirigieren wird: beim ersten Konzert der Salzburger Festspiele.

© SZ vom 26.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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