Neu in Kino & Streaming:Welche Filme sich lohnen - und welche nicht

Neu in Kino & Streaming: Hätten Sie sich erkannt? Sigourney Weaver, Jahrgang 1949, als Teenagermädchen Kiri in "Avatar: The Way of Water".

Hätten Sie sich erkannt? Sigourney Weaver, Jahrgang 1949, als Teenagermädchen Kiri in "Avatar: The Way of Water".

(Foto: 20th Century Studios/Disney)

Sigourney Weaver spielt eine 14-Jährige, Franz Beckenbauer strahlt, als wäre nichts gewesen - die Filmstarts der Woche in Kürze.

Von den SZ-Kinokritikern

Aftersun

Sofia Glasl: Ein Film wie ein Polaroid, das flüchtige Momente einfängt und ihnen allmählich Konturen verleiht: Protagonistin Sophie erinnert sich an jene Sommerferien, die sie als Elfjährige mit ihrem Vater an der türkischen Küste verbrachte, damals unbeschwert und nachträglich doch voller Abschiedsschmerz. Die schottische Filmemacherin Charlotte Wells hält in ihrem Debüt flirrende Erinnerungen, Urlaubsvideos und Familienanekdoten als mühelosen Gedankenstrom in der Schwebe und erzählt einfühlsam vom Glück und Unglück des Erwachsenwerdens.

Avatar: The Way of Water

Kathleen Hildebrand: Es hat 13 Jahre gedauert, bis die Fortsetzung von James Camerons epochalem Actionknaller mit Umweltschutzbotschaft fertig war. Für die Effekte hat sich das Warten unbedingt gelohnt: Noch nie sah Wasser aus dem Computer so wässrig aus, wirkten blaue Schlakswesen so überzeugend. Die gierigen Menschen kehren nun zurück nach Pandora, die Familie von Jake Sully, dem - inzwischen blauen - Helden aus dem ersten Teil muss zu den Cousins an die Küste fliehen und sich dort integrieren. Dann treten sie gegen Walfänger an. Und gegen einen altbekannten Feind. Ein besseres Drehbuch hätte aus dieser Geschichte mehr gemacht als einen klassischen Hollywood-Heldenfilm über Familienzusammenhalt, aber vielleicht klappt das ja in den Teilen drei und vier. Die sind schon in der Produktion.

Der Kaiser

Holger Gertz: Hier werden Originalfrisuren und Originaltrikots nachgebaut, und manchmal spricht der Kaiser Franz Beckenbauer auch aus dem Spiel heraus zu seinem Volk. Dennoch referiert der Spielfilm von Tim Trageser vor allem getreulich die frühen Jahrzehnte der Karriere von Franz Beckenbauer, klappert sämtliche Stationen ab, die jeder fußballhistorisch halbwegs orientierte Mensch herunterbeten kann. Erkenntnisgewinn: niedrig. Zumal Trageser die Sommermärchen-Verflechtungen und die Schatten überm späten Kaiser komplett draußen lässt. Heraus kommt ein Film, der unfertig und affirmativ wirkt.

Dem Leben auf der Spur

Doris Kuhn: Ein sanftes Roadmovie, das zwei Männer auf eine Mission nach Irland schickt, mit dem Ziel, die beiden einander vertraut zu machen. Es handelt sich um Vater und Sohn, seit Jahren zerstritten, das macht die Annäherung schwierig. Aber das Genre wird in bester Form bedient: In allerlei Abenteuern auf der Straße finden die beiden Verständnis für einander, was manchmal durchaus schmerzhaft sein kann. Inszeniert wird ihre Reise vom Isländer Elfar Adalsteins, der die Sentimentalitäten und die Irland-Klischees im Zaum hält.

Drei Winter

Martina Knoben: So majestätisch und wunderschön die Schweizer Berge im Film von Michael Koch aussehen, so hart ist die Arbeit dort und das Leben in den Bergdörfern. Koch erzählt davon mit Laiendarstellern, die wissen, wie sie eine Wiese am Hang mit einer Sense mähen, mit gegerbten Gesichtern von der Arbeit unter freiem Himmel. Die Natur kann ein harter Gegner sein, das müssen auch Anna (stark: Michèle Brand) und Marco feststellen, als Marco an einem Gehirntumor erkrankt. Die Liebes- und Leidensgeschichte des Paars ist so schroff und gewaltig wie die Landschaft, in der sie spielt. "Drei Winter" ist ein Antidot gegen jegliche Naturverklärung: ein Heimatfilm als existenzialistisch grundierte Tragödie.

Frieden, Liebe und Death Metal

Annett Scheffel: Ein Film über den Terror nach dem Terror, der andauert, wenn die Öffentlichkeit weiterzieht. Bataclan, der Anschlag, November 2015: 89 Menschen sterben. Wir kennen die Geschichte aus den Nachrichten, erinnern uns an den Schrecken dieser Tage. Isaki Lacuestas sensibles, fragmentarisches Drama erzählt von der Zeit danach, von der langen, psychisch komplexen Odyssee eines jungen Paares (Noémie Merlant und Nahuel Pérez-Biscayart), das beim Attentat zwar körperlich unversehrt bleibt, aber nicht zur Ruhe kommt. Ein starker Film über die Unberechenbarkeit von Traumata, die Unmöglichkeit des Vergessens und vor allem: die Verletzlichkeit der menschlichen Seele.

Nanny

Doris Kuhn: Die alte Upper-Eastside-Legende: Dort überlassen die reichen Eltern ihre Kinder dem Kindermädchen und kümmern sich selbst nur noch sporadisch - bis zu dem Moment, in dem sie merken, dass die Nanny inniger geliebt wird als sie. Regisseurin Nikyatu Jusu erzählt das mit der Senegalesin Anna Diop in der Hauptrolle, so zeigt sie als Kontrast zu einem Job im Luxus auch viel vom Immigrantenleben in Harlem. Vor allem aber bettet sie Albträume in die Atmosphäre, beklemmende Visionen in Blau und Gold, was die sonst nüchterne Alltagsbeobachtung bald nah ans Gruselgenre rückt.

Sibirisch für Anfänger

Fritz Göttler: Sie sagen, die Sonne geht bald aus... da muss ich mir noch ein getöntes Glas besorgen. Von einer Sonnenfinsternis ist die Rede, in einem kleinen jakutischen Dorf, das geduckt in der weiten Tundra liegt. Die Menschen reagieren hier auf spontane, manchmal (sehr) brutale Weise auf alltägliche Probleme. Ein Ehepaar findet es nicht gut, wenn neben seinem Gemüsebeet vom Nachbar ein Plumpsklo angelegt wird. Ein Mann verkauft ein Haus und verliert die Tasche mit dem Geld, ein Nachbar hat auf einmal viel Geld für einen neuen Wagen. Ein junger Mann hat sich eine Braut geholt und hantiert am Tisch, wo das gefeiert wird, grantig mit einem Gewehr. Eine Psychopathologie des Nebeneinanders, der Nachbarschaft... Die Bilder gehen stark in die Breite in dem komisch melancholischen Episoden-Film von Stepan Burnashev und Dmitry Davydov, sie lassen uns viel Raum und Zeit, um Beobachtungen zu machen in einer fremden vertrauten, verträumten Welt.

Stille Post

Anna Steinbauer: Welche Kriegsbilder bekommen Aufmerksamkeit in den deutschen Medien und welche nicht? Der Berliner Grundschullehrer Khalil wird politisiert, als er seine totgeglaubte Schwester in Kriegsvideos aus seiner kurdischen Heimatstadt Cizre zu erkennen glaubt. In Florian Hoffmanns Spielfilmdebüt bekommt Khalils persönliches Drama eine größere gesellschaftliche Dimension: Es geht um den Konflikt zwischen Kurden und Türken, dessen mediale Resonanz, um Gerüchte und Fake-News, Aktivismus, Zugehörigkeit und Identität. Herzstück des düsteren, statischen Films sind authentische Handyvideos aus der kurdischen Krisenregion.

Ein Triumph

Anke Sterneborg: Kunst und Kultur als Transportmittel für Motivation und Gemeinschaftssinn, das Muster ist vielfach erprobt und funktioniert an Brennpunktschulen so gut wie hier im Gefängnis. Nachdem Kad Merad mit seiner Mischung aus warmherziger Komik und geerdetem Menschenverstand vor einigen Jahren als Geiger eine Schulklasse zur Konzertreife geführt hat, bringt er jetzt als unterbeschäftigter Schauspieler mit Straftätern ein Theaterstück zur Aufführung. So wie Paolo und Vittorio Taviani 2012 Shakespeares "Julius Cäsar" zur Metapher für die volatile Dynamik unter italienischen Schwerverbrechern machten, tut es nun Emmanuel Courcol mit Samuel Becketts Stück "Warten auf Godot" unter ruppigen französischen Jungs. Das ist zwar nicht ganz neu, aber bewährt inspirierend.

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