Süddeutsche Zeitung

Kinostarts der Woche:Welche Kinofilme sich lohnen und welche nicht

Martina Gedeck und Ulrich Tukur spielen die wohl bisher schwersten Rollen ihres Lebens, Ben Affleck seine wahrscheinlich hölzernste. Die Kinostarts der Woche.

Von den SZ-Filmkritikern

The Accountant

Eignen sich Menschen mit Asperger besonders als Buchhalter und Auftragskiller? Auf jeden Fall passt das Syndrom perfekt zu Ben Afflecks hölzernem Spiel. Doch dann wird die Menschmaschine von einer Frau (Anna Kendrick) aus dem Tritt gebracht. Gavin O'Connor, der schon in "The Warrior" Männerrituale erforscht hat, springt zu rastlos zwischen Zeiten und Orten hin und her, erzeugt aber eine faszinierende Spannung zwischen Kalkül und Gefühl, Action und lakonischer Komik.

Bridget Jones' Baby

Renée Zellweger spielt wieder Bridget Jones, die schwanger ist und nicht weiß, ob der Vater Jack (Patrick Dempsey) ist oder ihr ewig wieder verschwindender Traumprinz Mark Darcy (Colin Firth). Vor allem in der ersten Hälfte hat Sharon Maguire das sehr witzig und mit viel Energie inszeniert; dann geht dem Liebesdreieck die Luft aus. Echte Bridget-Fans werden darüber aber hinwegsehen.

Burg Schreckenstein

Ein deutscher Kinder-Abenteuerfilm, der die Kids einmal nicht zu Posing-Schablonen verarbeitet, sondern einfühlsam porträtiert und mit funkelnder Fantasie ausmalt. Frei nach Oliver Hassencamps Ritterburg-Internatsgeschichten konfrontiert Regisseur Ralf Huettner die gewitzten Jungs- und Mädchen-Cliquen mit kauzigen Erwachsenen (Sophie Rois, Harald Schmidt) und lässt den kindlichen Geist der Freundschaft triumphieren.

Der Geheimbund von Suppenstadt

Eltern sind in Kinderfilmen meist ahnungslos. In Margus Pajus Buchadaption ist dies jedoch der Anfang eines Abenteuers. Die Erwachsenen werden mit einem Elixier vergiftet, das sie wieder zu Kindern macht. Maris Bande muss mithilfe eines verschlüsselten Notizbuchs das Gegengift finden. Eine Schnitzeljagd beginnt, die märchenhafte Abenteuerromantik mit rasanten BMX-Verfolgungsjagden kombiniert.

Gleißendes Glück

Keine Amour fou, eher die unwahrscheinliche Begegnung und behutsame Annäherung zweier verstörter Menschen. Sie eine Provinzhausfrau, die von Ehemann und Glauben entfremdet ist, er ein Glücksforscher, dem die Pornografie den Weg zur Liebe versperrt. Keine leichte Aufgabe für Ulrich Tukur und vor allem für Martina Gedeck, die arg defensiv gegen das Grau ihres Kleinstadtlebens anspielen muss. Sven Taddicken mag sperrige Annäherungen an die Liebe, die erstickende Enge dieses Konstrukts aber erlaubt kaum ein Luftholen.

Hinter den Wolken

Erfreulich, dass Filme über die Liebe jenseits der siebzig mittlerweile keine Rarität mehr sind. Wenn die Protagonisten noch dazu so weltoffen, gut aussehend und witzig sind wie Emma und Gerard in Cecilia Verheydens Verfilmung eines Theaterstücks - umso besser! Liebe im Alter muss nicht zwingend zum Drama oder gar zur Tragödie werden, das ist schön. Die Figuren etwas komplexer zu gestalten, ihnen mehr gelebtes Leben mitzugeben, hätte der Geschichte allerdings gutgetan.

Human - Die Menschheit

Yann Arthus-Bertrand filmt vor schwarzem Hintergrund Menschen von überall her, um so ein globales Porträt "des Menschen" zu zeichnen. Die Zeugnisse und Plädoyers, die oft von extremem Leid berichten, sind meist sehr berührend und eindringlich. Aber warum wurden nicht noch mehr queere Figuren mit reingenommen? Und wenn schon ein Globalporträt - warum dann heute noch ein derart anthropozentrisches?

Im Namen meiner Tochter

Die 14-jährige Französin Kalinka starb 1982 unter rätselhaften Umständen in Lindau. Ihr deutscher Stiefvater wurde hierzulande nicht angeklagt, in Frankreich aber schon. Weltweit Schlagzeilen machte der Fall, als Kalinkas echter Vater den Beschuldigten Jahre später nach Frankreich entführte und dort ins Gefängnis brachte. Vincent Garenq klappert die Story aus der Sicht des Entführers ab, aber ohne jede Inspiration. Ein Film, den auch Daniel Auteuil nicht retten kann.

Das kalte Herz

Ein dreckiger Köhlerjunge will mitspielen in der Bürgerwelt im Schwarzwald, das geht nur mit dubiosen Geisterkräften aus dem Wald. Natürlich muss er dann erfahren, dass das große kapitalistische Spiel - Glasbläserei, Holzhandel - gar nicht so sauber ist. Politische Fantasy aus Deutschland, nach Wilhelm Hauff, Regie Johannes Naber, angeregt durch die Finanzkrise, inspiriert vom Gollum- und Zombiekino. Frederick Lau ist besonders gut, wenn er fesch und herzlos ist, Henriette Confurius, eine von Dominik Grafs geliebten Schwestern, hat eine lustvolle Niedlichkeit.

Oujia - Ursprung des Bösen

Die Gefahren der Geisterbeschwörung werden hier nicht richtig ernst genommen, jedenfalls nicht von einer Familie, die ihr Geld mit spiritistischen Sitzungen verdient. Das rächt sich bei Regisseuren wie Mike Flanagan: Er reißt sie vom Brettspiel "Ouija" weg, mitten hinein in ein Dämonenkomplott, und achtet dabei genauso auf strenge Gruselatmosphäre wie auf übermütigen Okkultistenkitsch.

Schneider vs. Bax

Nach seiner Thrillergroteske "Borgman" erzählt der niederländische Autorenfilmer Alex van Warmerdam nun von zwei aufeinander angesetzten Profikillern unter der hellen, flirrenden Sommersonne eines Sumpfgebiets. Hier ist alles ein wenig realistischer, die Versuchsanordnung weniger surrealistisch als beim Vorgänger. Aber immer noch oszilliert die Handlung zwischen obskurem Humor, Krimi und Familiensatire - als verberge sich hinterm wehenden Schilf ein großes Gleichnis.

Théo & Hugo

Im Gewoge der Nackten eines Fick-Clubs finden sich zwei junge Schwule. Die Liebe trifft sie wie ein Blitz, jedoch hat ihr erster Sex böse Folgen. Olivier Ducastel und Jacques Martineau schicken ihre Protagonisten durch die Pariser Nacht und lassen sie über Gefühl und Skepsis streiten. Das macht ihren Film zu einem manchmal anstrengenden, meist aber hinreißenden Fürsprecher der Romantik.

Trolls

Frohsinn geht durch den Magen... Seit über fünfzig Jahren haben die Trollpuppen mit den bunten Haarschöpfen ihre treuen Fans in den Kinderzimmern, trotz ihrer nervigen Poppigkeit und Fröhlichkeit - oder vielleicht gerade deswegen. Die fiesen Momente dieser Feelgood-Existenz spielt der Film schön finster aus, wenn die natürlichen Feinde die Troll-Kolonie einfangen und in den Kochtopf stecken, weil nur der Konsum von Trolls ihr eigenes Glück garantiert.

Where is Rocky II?

Doku-Fiktion des Franzosen Pierre Bismuth, der mit Michel Gondry und Charlie Kaufman für Vergiss mein nicht den Oscar gewann. Ein Detektiv sucht in seinem Auftrag den künstlichen Felsen "Rocky II", den der Pop Art-Künstler Ed Ruscha einst in der Mojave-Wüste versteckte - und "ermittelt" in der Frage, wie man Fiktionen erzählen kann in einer Welt, in der die Kunst ebenso ihre klaren Konturen verloren hat wie ein falscher Stein unter Millionen von echten in der Einöde des amerikanischen Südwestens.

Schwester Weiß

Starke Momente gelingen Dennis Todorović, wenn er religiöses Leben auf selbstverständliche Weise ernst nimmt. Seine Geschichte zweier ungleicher Schwestern - Martha (Željka Preksavec) ist Ordensschwester, Helene (Lisa Martinek) fröhliche Atheistin - aber verspielt ihr Potenzial in fernsehformatigen Anekdoten und einem allzu konstruierten Schicksalsentwurf (Autounfall, Koma, Amnesie), der den existenziellen Diskurs mühsam herbeizwingt.

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Quelle:
SZ vom 20.10.2016
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