Süddeutsche Zeitung

Kinostarts der Woche:Welche Kinofilme sich lohnen und welche nicht

"Harry Potter"-Darsteller Daniel Radcliffe ist als Leiche kaum wiederzuerkennen. Und Tom Hanks muss mal wieder eine Weltkatastrophe verhindern. Die Kinostarts der Woche.

Von den SZ-Filmkritikern

Affenkönig

Mit forciertem Willen zum Ekligen inszeniert Oliver Rihs das Treffen von ehemaligen Jugendfreunden, zu dem Wolfi (Hans-Jochen Wagner) nach Südfrankreich eingeladen hat. Unter südlicher Sonne hält sich die Wiedersehensfreude in Grenzen, denn alte Rechnungen müssen beglichen werden. Männer-Midlife-Crisis-Klamauk als Nummerntheater einer Chaos-Party, bei der am Ende nur mehr gesabbert und gepöbelt wird.

American Honey

Ein Roadmovie ins Herz von Amerika. Das Mädchen Star schließt sich einer Gruppe von jugendlichen Herumtreibern an, die von Haustür zu Haustür ziehen und Zeitschriftenabos verticken. Die Britin Andrea Arnold erforscht die Erotik des amerikanischen Hinterlands, Walmart und White Trash, und ihre junge Protagonistin bekämpft Lebenskummer mit Lebenshunger. Lesen Sie hier eine ausführliche Rezension zum Film.

Hieronymus Bosch - Garten der Lüste

Jeder Betrachter sieht seine eigene Version des Bildes, erst recht wenn es eine monumentale Traumphantasie ist, wie das Triptychon "Der Garten der Lüste". Entsprechend gewieft ist der Ansatz des Regisseurs José Luis Lopez-Linares, neben Kunsthistorikern und Kuratoren auch Tänzer, Maler, Musiker und Neurologen zu seiner Wirkung zu befragen. Wieder ist es ein besonderes Vergnügen, den Bildern des niederländischen Maler, der zum 500. Todestag derzeit vielfach geehrt wird, in all ihren bizarren Details nahe zu kommen, sogar bis unter die Oberflächen, wo sich frühere Versionen als Schatten abzeichnen.

Inferno

Im Chaos fühlt er sich wohl, Dan Browns Professor Robert Langdon, nun zum dritten Mal verkörpert von Tom Hanks, unter der Regie von Ron Howard. Das Inferno fordert ihn, den großen Zeichenleser, Dantes Inferno zumal, er muss das Muster finden hinter der alten Kunst, in Florenz und Venedig und Istanbul, das den neuen Plan einer drohenden Weltkatastrophe enthält, einer Seuche, die eine brutale, aber effektive Lösung wäre für Massenpopulation und Klimawandel. Zunächst allerdings muss er die eigene Konfusion überwinden, einen Gedächtnisverlust, der ihm auch den Blick auf die Frauen trübt.

Saint Amour

Gustave Kervern und Benoît Delépine schicken Gérard Dépardieu und Benoît Poelvoorde als Vater und Sohn auf eine ausgiebige Weintour durch Frankreich. Der Film ist zwar kein Grand Cru, der ein cineastisches Aromenfeuerwerk abbrennt, aber durchaus ein trinkbarer Tropfen, der angenehm zu Kopfe steigt. Zumal der kurze Auftritt eines völlig verstrahlten Michel Houellebecq in einer Nebenrolle das Ganze abrundet. (Sehen Sie hier eine ausführliche Filmkritik im Video.)

Swiss Army Man

Mit Sicherheit die seltsamste Variation einer Robinson-Crusoe-Geschichte, die das Kino bisher hervorgebracht hat, lustvoll zusammenfantasiert von Dan Kwan und Daniel Scheinert. Der gestrandete Hank (Paul Dano) will sich vor lauter Einsamkeit umbringen, doch dann liegt eine Leiche mit heftigen Blähungen und mächtigen Erektionen (Daniel Radcliffe) in der Brandung. Ohne Vorwarnung beginnt ein psychedelischer Trip, ein absurdes Buddy Movie, eine Tour de Force für zwei völlig unerschrockene Schauspieler. Und unbarmherzig ist am Ende nur die Zivilisation, die im Hintergrund lauert. Lesen Sie hier eine ausführliche Rezension zum Film.

Verrückt nach Fixi

Schüchterne Jungs kriegen bekanntlich keine Freundin. Zum Glück verwandelt sich die lebensgroße Gummipuppe eines Nerds nach dem Abiball in eine reale, süße Sexbombe. Das beschert ihm ein Liebesleben - und ändert seinen Marktwert. Mike Marzuk erkundet vertrautes Teenagerterrain: Wie schnell man auf der Seite der Idioten landet, wenn man die wahren nicht von den falschen Freunden unterscheiden kann.

Weiße Ritter

Mike und Alfred, eine Kreuzung aus Stummfilm-Komikerduo und Aki Kaurismäkis maulfaulen Stoikern, sollen einen dubiosen Koffer von Köln nach Luxemburg bringen. Aber bitte diskret. Mit einem Trabi als Dienstwagen geht es in brillantem Indie-Schwarzweiß und Roadmovie-Ästhetik durch die Eifel. Letzter Teil des liebenswert verschrobenen Kölner Westend-Zyklus von Markus Mischkowski und Kai Maria Steinkühler.

Welcome To Norway

Was ergeben ein marodes, leer stehendes Hotel am Ende der Welt und ein Zug voller Flüchtlinge? Eine Win-win-Situation, findet zumindest Primus, der aus dem Hotel eine Flüchtlingsunterkunft machen und Subventionen in Millionenhöhe kassieren will. Die Realität ist erwartungsgemäß komplizierter - und der Film von Rune Denstad Langlo stellenweise brüllend komisch, ohne dass der norwegische Regisseur die Tragödien, die in der Komödie stecken, je aus den Augen verliert.

Die Welt der Wunderlichs

Das Familiendrama ist so alt wie die Familie an sich. Mimi aus Dani Levys neuem Film "Die Welt der Wunderlichs" hat besonderes Pech: Sie hat eine depressive Mutter UND ein hyperaktives Kind UND einen saufenden Ex-Ehemann UND eine entfremdete Schwester, außerdem ist ihr Vater ein manisch-depressiver Spieler, der sie regelmäßig beklaut. Und alle wollen, dass Mimi Sängerin wird. Außer Mimi. Wird Mimi berühmt? Wer bringt sich zuerst um? Ein Film wie eine sehr konzentrierte Form von Weihnachten, nervenaufreibend und rührend zugleich.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3203046
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 13.10.2016
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.