Kinokomödie:Lass jucken, Kumpel

Julie Delpy, bekannt für smarte französische Kino-Neurosen, wandelt auf vulgären Abwegen: "Lolo - Drei ist einer zu viel".

Von Rainer Gansera

Diese Parade der Peinlichkeiten, das kann doch kein Julie-Delpy-Film sein - denkt man schon nach wenigen Minuten, wenn die ersten Sexwitzeleien vom Stapel gelassen werden. Violette (Julie Delpy) und Ariane (Karin Viard), zwei offensichtlich im Sexnotstand befindliche Mittvierzigerinnen, diskutieren ihr Intimleben. Drastisch und direkt. "Wie lange bist du nicht mehr gevögelt worden?", fragt Ariane, ohne eine Antwort zu erwarten. Dann erörtern die beiden Pariserinnen, die beim Urlaub in der Provinz auf Männerfang gehen, ob Omas Merksatz "Spießig fickt gut" oder "Dumm fickt gut" hieß. So plappern sie dahin, als wären sie Teenager, denen vulgäre Direktheit als Mutbeweis gilt, oder als hätten sie das Tourette-Syndrom.

Auch die Slapstick-Nummern poltern plump heran, wenn Jean-René (Dany Boon) gleich die erste Begegnung mit Violette verstolpert - merke: Provinztölpel! - und ihr einen großen, glitschigen Fisch in den Schoß wirft. Wobei dieser Fisch sogleich sexsymbolisch verwitzelt wird, wie fortan nahezu alles: vom Wasserstrahl im Hallenbad bis zu den zwei busenartig arrangierten Frühstückseiern. "Lolo", Julie Delpys sechster Film, den sie als Hauptdarstellerin, Regisseurin und Drehbuchautorin bestreitet, ist ein Ausbund an Vulgarität und Banalität. Eine Katastrophe. Es steht Delpy drauf, aber es ist nicht Delpy drin, jedenfalls nichts von dem, was wir an ihr schätzen.

Kinokomödie: Provinztölpel (Dany Boon, links) trifft Pariserin im Sexnotstand (Julie Delpy) - und ihren ödipal fixierten Sohn Lolo (Vincent Lacoste).

Provinztölpel (Dany Boon, links) trifft Pariserin im Sexnotstand (Julie Delpy) - und ihren ödipal fixierten Sohn Lolo (Vincent Lacoste).

(Foto: David Koskas/NFP)

Als Darstellerin hatte Julie Delpy ihren internationalen Durchbruch in Volker Schlöndorffs Max-Frisch-Verfilmung "Homo Faber" (1991). Sie war das Inbild einer romantischen Figur, eine Art französischer Botticelli-Engel. So bezauberte sie auch in Richard Linklaters "Before Sunrise" (1995) und als sie 2007 mit ihrer ersten großen Regiearbeit "2 Tage Paris" hervortrat, war etwas von Linklater-Leichtigkeit darin zu spüren. Dazu funkelnder Witz à la Woody Allen. Sie hatte ihr Lieblingsthema gefunden: die Konfrontation lockerer französischer Lebensart mit amerikanischer Verkniffenheit.

Auch ihre folgenden Filme atmeten Independent-Freiheit, Intelligenz, Sensibilität, Witz. Nichts davon in "Lolo". Nach dem Urlaubs-Intro kreiselt die Story in Paris kindisch weiter, wenn Titelfigur Lolo, Violettes 19-jähriger, ödipal fixierter Sohn (Vincent Lacoste), ins Spiel kommt, um den Kuschelplatz an der Seite seiner alleinerziehenden Mama zu verteidigen. Das geht gegen den neuen Lover Jean-René, den Lolo mit allen Mitteln vergraulen will, etwa indem er dessen Hemden mit Juckpulver präpariert.

In "2 Tage Paris" konnte Julie Delpy die Stadt prägnant und herrlich komisch schildern, hier nun gibt es nur das klischeehaft durchgenudelte Gegenüber von Spießerprovinz und mondäner Metropole. "Lolo" ist Delpys fataler Versuch, mit den beiden französischen Komödienstars Dany Boon und Karin Viard ins Genre der Mainstream-Comedy einzutauchen. Ein Genre, das einfach nicht ihre Wellenlänge ist, und das sie auch mit Zentnern von Juckpulver nicht erobern kann.

Lolo, F 2015 - Regie: Julie Delpy. Buch: Delpy, Eugénie Grandval. Kamera: Thierry Arbogast. Mit: Julie Delpy, Dany Boon, Vincent Lacoste. NFP, 100 Min.

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