Süddeutsche Zeitung

Kinojahr 2015:Wehe, der nächste Blockbuster floppt

Hollywood hat noch nie so viele Blockbuster produziert wie in diesem Jahr. Aber der Erfolg dieser Spektakel ist trügerisch. Verzögern sie doch nur den großen Knall.

Kommentar von David Steinitz

Brüll, Brumm, Wumms und Summ - so klingt die Bilanz des rekordverdächtigen Kinojahres 2015. Es haben sich in diesem Jahr gleich vier Blockbuster neu in die Top Ten der kommerziell erfolgreichsten Filme, die es je gab, vorgedrängelt: die brüllenden Dinosaurier aus "Jurassic World" (Platz 3), die brummenden Autos aus "Fast & Furious 7" (Platz 5), die mit viel Wumms zuschlagenden Superhelden aus "Avengers 2" (Platz 6) - und natürlich die summenden Lichtschwerter aus "Star Wars", aktuell auf Platz 10.

Auch wenn Filme heute durch höhere Eintrittspreise deutlich mehr Geld einspielen als früher, zum Beispiel durch 3D- oder Überlängenzuschläge: In diese Top Ten kommt man nicht, ohne wirklich exorbitant viel Geld zu verdienen. Ein Beispiel: Der US-Kinomarkt, derzeit immer noch der größte der Welt, blickt auf ein sehr gutes Jahr zurück. An amerikanischen Kinokassen wurden insgesamt mehr als elf Milliarden Dollar umgesetzt - so viel wie noch niemals zuvor.

Nur: Von den Hunderten Filmen, die in diesem Jahr in den USA gestartet sind, haben gerade mal eine Handvoll diese riesigen Umsätze generiert. Allein "Star Wars" hat bislang mehr als eine Milliarde Dollar eingespielt und ist auf dem besten Weg, in den nächsten Wochen den bisherigen Spitzenreiter "Avatar" vom Thron zu stoßen und zum erfolgreichsten Film überhaupt zu werden.

Trotz "Star Wars" könnte es in Hollywood bald einen Knall geben

Viele Kinos spielen den Film in so vielen Sälen gleichzeitig ab, dass die Reihen halb leer bleiben, was so wirkt, als gäbe es keinen Boom - aber das Geld fließt trotzdem üppig in die Kassen des Disney-Studios, dem die Rechte gehören.

Nun hatte sich in den letzten Jahren zwar eine Blockbuster-Müdigkeit breitgemacht, vor allem angesichts der pfiffigen Serienkonkurrenz auf Onlineportalen wie Netflix oder Amazon. Das Kinojahr 2015 aber lehrt die Chefs der großen Hollywoodstudios: Mit Fortsetzungen vom Fließband kommen wir immer noch gut durch - warum sich also mühsam neue Geschichten ausdenken?

Natürlich ist nicht jede Blockbuster-Fortsetzung per se schlecht; auch unter Hollywoods monströsen Effektspektakeln finden sich sehr schöne Filme, wie zum Beispiel "Star Wars". Aber: Solche Hochglanzprodukte verzögern nur den großen Knall, den es früher oder später in der amerikanischen Filmindustrie geben wird, und der wiederum Auswirkungen auf den Rest der Kinowelt haben wird.

Weil die Herstellung und die Vermarktung von Blockbustern immer teurer werden, kann mittlerweile ein einziger Flop die Jahresbilanz eines großen Filmstudios in den Keller reißen. Haben die Zuschauer eines Tages die Superhelden und Dinosaurier satt, sind die Produktionspläne aber oft schon auf Jahre hinaus mit Fortsetzungsplänen festgezurrt, so steuern die Studios in eine künstlerische wie ökonomische Totalkatastrophe.

Für die nächste Generation an wilden, experimentierfreudigen Filmemachern könnte Hollywood deshalb zum Auslaufmodell werden.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2800804
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 31.12.2015/cag
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.