Süddeutsche Zeitung

Kinogeschichte:Neuer deutscher Film war gestern

"Aufbruch ins Jetzt": eine Ausstellung mit Begleitprogramm

Von Josef Grübl

Drinnen lässt sich der deutsche Film hochleben, draußen stirbt das Staatskino. Das klingt überzogen, ist aber trotzdem wahr - wie so vieles, wenn es um den Neuen Deutschen Film geht, jene Ära des bundesrepublikanischen Kinos, die 1962 mit dem Oberhausener Manifest ihren Anfang nahm ("Papas Kino ist tot") und Autorenfilmer wie Alexander Kluge, Wim Wenders oder Rainer Werner Fassbinder hervorbrachte.

Der Reihe nach: An einem der ersten wirklich heißen Tage im Juni wird in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste eine Ausstellung des Schweizer Fotografen Beat Presser eröffnet, sie trägt den Titel "Aufbruch ins Jetzt - Der Neue Deutsche Film". Auf den Fotos gibt es ein Wiedersehen mit einigen der Papa-Mörder von damals, heute sind sie selbst Väter und Großväter. Während drinnen Ehrengäste wie Michael Verhoeven, Edgar Reitz, Joachim von Vietinghoff oder Angela Winkler begrüßt werden, demonstriert draußen einer, der weder etwas mit Papas Kino anfangen konnte, noch mit dem, was seine Söhne daraus gemacht haben: Klaus Lemke steht mit einer jungen Schönheit vor der Staatsoper, sie hält ihm eine Pistole an den Kopf, er fuchtelt mit einem Schild herum, "Fack you Staatskino" steht darauf.

Damit protestiert der Regisseur gegen die "Totengräber des deutschen Films", die sich angeblich einkaufen haben lassen, die von Fördergeldern abhängig und "bereits in den Siebzigern auf Klassenfahrt in der Toskana hängen geblieben" seien. Da Lemkes Thesen aber seit Jahren dieselben sind, hält sich das Interesse an seiner Aktion in Grenzen. In der Akademie kommt man währenddessen zu dem Eindruck, dass hier ein paar ältere Herrschaften durchaus vergangenen Zeiten nachtrauern. Sie kritisieren das Schaffen heutiger Filmemacher - und beklagen gleichzeitig deren mangelndes Interesse am Schaffen der Väter. "Noch gibt es genügend Augenzeugen, die davon erzählen können", sagt Regisseur Bernhard Sinkel in seiner Rede. Deshalb findet auch diese Ausstellung statt (Bayerische Akademie der Schönen Künste, Max-Joseph-Platz 3, noch bis 28. Juli), deshalb gibt es auch eine begleitende Reihe mit Filmvorführungen und -gesprächen.

Los geht es am Donnerstag, 13. Juni, um 19 Uhr im Filmmuseum mit Rainer Werner Fassbinders Wirtschaftswunderfilm "Lola" aus dem Jahr 1981. Am selben Abend gibt es noch eine szenische Lesung mit den Fassbinder-Weggefährten Isolde Barth und Harry Baer, die im Film auch mitspielten. Am Sonntag, 23. Juni, wird um 11 Uhr im Theatiner-Kino Helma Sanders-Brahms' "Unter dem Pflaster ist der Strand" (1975) gezeigt. Die Regisseurin ist vor fünf Jahren verstorben, als Gäste haben sich Hauptdarstellerin Grischa Huber und Kameramann Thomas Mauch angekündigt. Acht Filmvorführungstermine stehen an bis Ende Juli, mit Gästen wie Ulrike Ottinger, Elfi Mikesch oder Edgar Reitz. Ihre Filme entstanden zu einer Zeit, als bewegte Bilder noch nicht allgegenwärtig waren. Die mediale Landschaft hat sich völlig verändert, Machart und Rezeption von Filmen ebenfalls. Nicht nur deshalb lohnt es sich, die Werke des Neuen Deutschen Films wieder zu entdecken.

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Quelle:
SZ vom 13.06.2019
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