Süddeutsche Zeitung

Kinofilm über Romy Schneider:Wer sie aussaugt, stützt sie - und umgekehrt

In "3 Tage in Quiberon" erzählt Emily Atef, wie die erschöpfte Romy Schneider kurz vor ihrem Tod noch ein Interview über ihr kaputtes Leben gab. Ein Drama über Hedonismus und Einsamkeit.

Von Philipp Stadelmaier

Wir schreiben das Jahr 1981. Der Weltstar und ihre Freundin sitzen am Tisch eines Kurhotel-Restaurants, während draußen der Atlantik braust und kühle Meeresluft weht. Vor ihnen steht ein Teller mit puddingartiger Substanz. Sie sieht weiß, fad und traurig aus. Ebenso traurig wie Romy Schneider. Das sei gerade ihre Diät, erklärt Romy der Freundin. Sie will von Alkohol und Tabletten loskommen, sich entgiften. Um ihrem 14-jährigen Sohn wieder unter die Augen treten können und fit zu werden für den nächsten Dreh. Dazu ist sie im Kurort im bretonischen Quiberon. Ihre Freundin Hilde, die sie seit ihrer Kindheit kennt, ist aus Salzburg angereist, um ihr beim Erholen zu helfen.

Als Romy (Marie Bäumer) und Hilde (Birgit Minichmayr) später in der Badewanne liegen, klingelt das Telefon, und zwei Männer kündigen sich an, mit denen Romy sich verabredet hat. Der eine ist ein Gesellschaftsreporter vom Stern, der ein Interview mit ihr führen will; der andere ist Fotograf und ein alter Freund von ihr, verantwortlich für die dazugehörige Fotoserie.

Der teure Rotwein ist nur noch zum Runterspülen der Schlaftabletten zu gebrauchen

Ein Kuraufenthalt sieht anders aus. Allein schon deshalb, weil mit dem Eintreffen der beiden Herren alle guten Ernährungsvorsätze über den Haufen geworfen werden. Stattdessen wird bis in die Morgenstunden in der Hafenbar Champagner gesoffen, geraucht und getanzt, und am nächsten Mittag stehen schon wieder zwei Flaschen Weißwein auf dem Tisch. Diese Lust am Gift und am Hedonismus macht den Reiz von Emily Atefs Drama "3 Tage in Quiberon" aus, das im diesjährigen Wettbewerb der Berlinale seine Weltpremiere hatte und in zehn Kategorien für den Deutschen Filmpreis nominiert ist.

Im Schwarz-Weiß-Look des Films wirkt der ungebremste Genuss aber nicht nur lustvoll, sondern auch traurig und melancholisch. Romy gibt dem Alkohol und den Tabletten mal wieder nach, bald nur noch zu Betäubungszwecken. Wenn abends eine Flasche Spitzenrotwein in ihrem Zimmer steht, braucht sie den nur, um die Tabletten runterzuspülen, ohne die sie nicht schlafen kann. Zwischen Euphorie und Depression, Rausch und Detox wird es für sie immer schwerer, Ruhe und Halt zu finden.

Noch mehr bringt Romy aber das Interview ins Schleudern. Das Gespräch hat es wirklich gegeben. Geführt hat es Michael Jürgs, der hier von Robert Gwisdek gespielt wird. Die Schauspielerin gab darin Auskunft über private Krisen, ihr Unglück, die Notwendigkeit, zu sich selbst finden zu müssen. Atefs Film erzählt von den Hintergründen des Gesprächs, davon, wie sich Schneider mit ihrer Freundin, dem Journalisten und dem Fotografen in eine Suite zurückzieht, um dort einen Seelenstriptease hinzulegen.

Im Film kann der Journalist, den Gwisdek zunächst als arroganten Unsympathen spielt, mit seinem sensationslüsternes Boulevardreportertum schon bald nicht mehr hinter dem Berg halten. Der "Haifisch", wie er später genannt wird, fährt alle Verhör-Geschütze auf. Er spricht Schneider auf Skandale an, auf eine Fehlgeburt, eine Scheidung, den Selbstmord ihres Ex-Mannes Harry Meyen. Und er provoziert sie mit sexistischen Fragen. "Würden Sie sich eher als Madonna oder Hure bezeichnen, oder doch als naives Mädchen? Warum kehren Sie nicht dem Showgeschäft dem Rücken und werden eine normale Frau, die zu Hause bleibt und sich um ihre Kinder kümmert?"

Zeitweise könnte man denken, dass hier die Boulevardpresse verteufelt werden soll, die Schneider nur für oberflächliche Schlagzeilen ausnutzen will, während mit Hilde eine intime Kindheitsfreundin aufgeboten wird, welche die berühmte Schauspielerin wirklich versteht. Aber Atef macht die Sache komplizierter. Der Journalist mutmaßt, dass auch Hilde sich nur aus egoistischen Gründen an ihre Freundin hängt, da sonst ihre eigene Existenz zu unbedeutend wäre. Was sich zynisch anhört, verbirgt eine eigentümliche Wahrheit. Der Journalist feilt trotz aller Gemeinheit mit an der großen Legende, während Hilde Romys Berühmtheit ausnutzt, um drei Tage Luxusleben zu haben. Die Tragik Romys liegt in dieser Dialektik: Wer sie aussaugt, stützt sie; und wer sie stützt, saugt sie auch aus.

In cinephiler Hinsicht vergreift sich der Mann vom Stern dann allerdings wirklich im Ton. Denn er reduziert Schneider auf die eine Rolle, mit der sie in den Fünfzigerjahren ihren Durchbruch hatte und für die sie bis heute in Deutschland hauptsächlich bekannt ist: auf die Kaiserin in der "Sissi"-Trilogie, diesem kolossal-kitschigen Heimatfilmmonster. Leider bleibt die Sissi auch bei Atef die Hauptidentifikationsrolle für Schneider, sodass man sich fragt, ob man diesen Film, der sich ja auch an ein deutschsprachiges Publikum wendet, nicht dazu hätte nutzen können, um in dieser Hinsicht Aufklärungsarbeit zu leisten.

Schneider hatte sich nach ihrem "Sissi"-Erfolg in den damals noch eher unbekannten Alain Delon verliebt und ging mit ihm nach Frankreich, wo sie mehr und mehr als Filmkünstlerin anerkannt wurde. Sie hat mit Regisseuren wie Luchino Visconti, Orson Welles, Claude Chabrol und Claude Sautet gearbeitet, was hier aber kaum eine Rolle spielt.

Aber Atef versucht eben weniger, das offizielle Bild der Ikone zu korrigieren, als ein intimes Porträt von ihr zu zeichnen, zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt ihres Lebens mit Marie Bäumer als Modell. Der zentrale Porträtierende ist hier Romys alter Freund, der Fotojournalist Robert Lebeck (Charly Hübner), der sie in diesen drei Tagen in Quiberon in jeder nur denkbaren Situation ablichtet. Das erinnert auch an den Dokumentarfilm "Romy - Portrait eines Gesichts" von Hans-Jürgen Syberberg, 1966 entstanden, ebenfalls während dreier Tage, beim Skiurlaub in Kitzbühel. Damals noch mit der echten Romy.

1981 sollte für Schneider noch viele Katastrophen bringen, ein knappes Jahr später starb sie

Aber Marie Bäumer, die wie Schneider in Frankreich wohnt und äußerlich oft mit ihr verglichen wurde, macht ihre Sache auch ziemlich gut. Nicht, dass es per se etwas Erbauliches hätte, einer Schauspielerin von heute dabei zuzuschauen, wie sie einen legendären Filmstar der Vergangenheit verkörpert. Wenn die Vertreter der Gegenwart hinter einem vergangenen Glanz herrennen, der doch nicht mehr einzuholen ist, wirkt das oft traurig. Aber diese Traurigkeit ist hier völlig angemessen. Denn Schneider war damals ein trauriger Star, der eigentlich längst keiner mehr sein wollte. 1981 sollte für sie noch ein Katastrophenjahr werden, nur ein knappes Jahr später ist sie gestorben. Die Entgiftung ist ihr in Quiberon nicht mehr gelungen.

3 Tage in Quiberon, D/AUT/ FRA, 2018 - Regie und Buch: Emily Atef. Kamera: Thomas Kiennast. Mit Marie Bäumer, Birgit Minichmayr, Charly Hübner, Robert Gwisdek. Prokino/Fox, 115 Minuten.

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Quelle:
SZ vom 11.04.2018
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