Süddeutsche Zeitung

Kino:Wüsteneien des Begehrens

Ein filmischer Roadtrip ins Death Valley vertaner Chancen: "A Thought of Ecstasy" vom deutschen Regisseur RP Kahl zeigt todessehnsüchtige Wüstenbilder und Sexszenen, die von einem Vorreiter des Porno Chic inspiriert sind.

Von Anna Fastabend

Ein Mann unterwegs im Tal des Todes, am heißesten Tag seit Beginn der Temperaturmessung. Auf dem Beifahrersitz zerknitterte Fotos, ein Buch mit dem Titel "Desert L. A.", eine Straßenkarte des Death Valley. Die Hitze flimmert auf dem Asphalt des Highways, rundum Sand, Geröll, vertrocknete Büsche, ein abgeblättertes Schild "Nude Girls" an einem Schuppen. Der Mann ist auf der Suche nach einer Frau, die spurlos verschwunden ist. Um seine Augen herum tiefe Furchen, die von Verzweiflung erzählen und von Besessenheit. Von seiner Unfähigkeit aufzugeben, auch wenn sein Unterfangen noch so aussichtslos erscheint.

In dem Film "A Thought of Ecstasy" von RP Kahl bieten Illusionen ein schöneres Zuhause als die Wirklichkeit. Frank ist auf der Suche nach Marie. Einer Frau, mit der er vor Jahren zusammen war. Als er auf ihre zum Bestseller gewordene Autobiografie stößt, die von der Verarbeitung der gemeinsamen Beziehung und ihrem anschließenden Leben als Prostituierte im Umland von Los Angeles erzählt, wird ihm bewusst, dass die Zeit mit ihr die beste seines Lebens war. Er muss sie wiederfinden, versucht von ihrer Agentin zu erfahren, wo sie sich aufhält. Doch die Agentin leugnet ihre Existenz. Sie beauftragt eine Prostituierte, sich als Marie auszugeben und auf ihn zu warten - sie hat noch besondere Pläne mit ihm. Es geht um Rache, Schuld und Vervollständigung durch einen Seelenverwandten, um Macht und Unterwerfung. Im Keller eines Bunkers beobachtet Frank die Prostituierte Nina, wie sie an die Betonwand gefesselt von einem Mann mit Maske betatscht, geschlagen und gewürgt wird. In einer anderen Szene sitzt Frank ihr gegenüber, fragt nach Marie, doch sie will nicht reden, bietet ihm stattdessen käufliche Liebe an.

Die Wüstenbilder haben eine todessehnsüchtige Schönheit. Untermalt von treibenden elektronischen Klängen und einer weiblichen Erzählstimme, die aus Maries Autobiografie vorliest, entfalten sie einen surrealen und poetischen Sog, dem man sich nur schwer entziehen kann. Hinzu kommen Sexszenen, die dem 2017 verstorbenen Porno-Chic-Regisseur Radley Metzger huldigen. Auch Therese und Isabell sind zu sehen, zwei Figuren aus Metzgers gleichnamigen Film von 1968, der von der Liebe zweier Schülerinnen zueinander handelt. Die Traumsequenz, in der Frank und Marie in der Wüste miteinander schlafen, ist an eine Liebesszene aus "Therese und Isabell" angelehnt, die sich auf dem Waldboden miteinander vergnügen. RP Kahl hat das Drehbuch geschrieben und Regie geführt, er spielt aber auch diesen Mann, dem die Fäden des eigenen Lebens entglitten sind - und der doch auf einen Neuanfang hoffen darf.

A Thought of Ecstasy, D 2017 - Regie: RP Kahl. Buch: Kahl, Torsten Neumann. Kamera: Markus Hirner. Mit RP Kahl, Ava Verne. Dropout, 90 Min.

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Quelle:
SZ vom 31.01.2018
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