Kino: "Was nützt die Liebe in Gedanken":Tod steht uns gut

Lesezeit: 2 Min.

Ein Film von morbider, verwegener Eleganz, inspiriert auch von Stummfilmklassikern: Achim von Borries hat ein melancholisches Filmpoem vorgelegt, in dem nicht nur Daniel Brühl und August Diehl glänzen.

HANS SCHIFFERLE

Es gibt Filme - und sie gehören zu den schönsten der Filmgeschichte -, die behält man im Gedächtnis wegen einer Geste, einem Kleidungsstück oder einer Frisur. Man erinnert sich immer noch an die Lederjacke von Marlon Brando in "The Wild One" oder an die roten Haare von Franka Potente in "Lola rennt", wenn die Feinheiten des Plots längst in Vergessenheit geraten sind. Ein solcher Film, der auf die Aura von Dingen setzt, auf die Poesie von Gesten und Nuancen, ist Achim von Borries' "Was nützt die Liebe in Gedanken".

(Foto: N/A)

Man wird sie nicht mehr vergessen, diese weißen, luftigen Hemden, die Daniel Brühl und August Diehl tragen, und nicht die bleichen Gesichter dieser charismatischen Darsteller, in denen die ganze Unschuld, all der Wagemut, der Ernst und die Tristesse der Jugend liegen. Zudem wird der Klang nachhallen, die Songs aus den Zwanzigern, die verzaubernde Musik von Thomas Feiner und Ingo Frenzel und natürlich die Stimme von August Diehl, die verletzlich und zugleich so arrogant klingen kann. Zweifellos, Achim von Borries gibt mit seinem Filmpoem dem deutschen Kino etwas zurück, was es lange vermisst hat: konsequenten Stilwillen und Glamour.

Einen historischen Film hat von Borries gemacht, der an einem heißen Sommerwochenende im Berlin des Jahres 1927 spielt. Aber er verzichtet auf Authentizität, auf Lehrhaftigkeit, vielmehr macht er diese fragile, zwischen Aufbruch und Dekadenz schwankende Zeit der Weimarer Republik lebendig durch Atmosphäre, durch Stimmungen. In der schmerzlich-schönen Fotografie, im sanften, manchmal fahlen Licht deuten sich Dinge an, die kommen werden, schreckliche Dinge.

Von dem deutschen Stummfilmklassiker "Menschen am Sonntag", in dem es um Leute geht, die kleine Abenteuer suchen jenseits der Arbeit, hat sich von Borries wohl inspirieren lassen, und gewiss auch von den Romanen des F. Scott Fitzgerald. Dabei vergleicht er die verlorene Generation der Zwanziger mit der Jugend von heute - da gibt es einige auf den ersten Blick alberne Aktualisierungen. Ein Junge etwa wird zum frühen DJ, als er eine Schellack-Platte zu scratchen beginnt, und auf der großen Sommerparty im Wochenendhaus wird Absinth gereicht wie heute Koks oder Amphetamine. Es geht vor allem um die Jugend, durch die Zeiten betrachtet, die sich immer wieder selbst verschwendet.

Auf einem wahren Fall beruhend, der als Steglitzer Schülertragödie in die Annalen der Jugendkultur eingegangen ist, erzählt von Borries von Paul (Daniel Brühl), dem angehenden Literaten, der aus einfachen Verhältnissen stammt, und von Günther (August Diehl), dem homosexuellen, zu allem entschlossenen Sohn reicher Eltern.

Die zwei sind unglücklich verliebt. Paul angeblich in Günthers Schwester Hilde und Günther angeblich in den Proletarier Hans. In Wahrheit jedoch - und das merkt man bei jedem Blick - lieben sich Paul und Günther. Weil sie nicht zusammenkommen können, richten sie das perfekte Unglück an. Sie gründen einen bizarren Selbstmörderclub. Nach der Party kommt die fiebrige Erschöpfung, der Tod. Mehr noch als Brühl und Diehl leidet aber eine andere: Jana Pallaske als Elli, die so sehr auf Paul gestanden ist, spielt großartig den schönen schrecklichen Schmerz einer Liebe, die nur in Gedanken stattfindet. Erstmals scheint auch das "X" im Verleihnamen aktiviert - es soll doch für Extremes stehen, für Sex und Exploitation. "Was nützt die Liebe in Gedanken" erfüllt das alles, ein Film von morbider, verwegener Eleganz. Ein kleines Meisterwerk.

WAS NÜTZT DIE LIEBE IN GEDANKEN, D 2003 - Regie: Achim von Borries. Buch: Achim von Borries, Hendrik Handloegten. Kamera: Jutta Pohlmann. Mit: Daniel Brühl, August Diehl, Anna Maria Mühe, Thure Lindhart, Jana Pallaske. X Verleih, 90 Minuten.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: