Süddeutsche Zeitung

Kino:Tee zur Geisterstunde

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Doris Dörrie spinnt in "Kirschblüten & Dämonen" die Geschichte ihres bayerisch-japanischen Kinohits "Kirschblüten - Hanami" von 2008 weiter.

Von Ana Maria Michel

Seit zehn Jahren sind Rudi und Trudi bereits tot, mit ihrem jüngsten Sohn Karl geht es seitdem den Bach runter. Er trinkt, Frau und Tochter haben ihn verlassen. Total besoffen platzt er im Pandakostüm in die Geburtstagsfeier des Mädchens. "Du bist doch kein Mann", wird ihm da an den Kopf geknallt. Doch es sind nicht nur die Lebenden, die Karl in Doris Dörries Film "Kirschblüten & Dämonen" Vorwürfe machen. Als plötzlich die Japanerin Yu (Aya Irizuki) vor seiner Tür steht, bekommt er es mit seinen Dämonen zu tun.

Yu kannte seinen Vater. Nach Trudis plötzlichem Tod war Rudi in das Sehnsuchtsland seiner Frau gereist. Karl arbeitete damals in Tokio, hatte aber keine Zeit. Es war Yu, die Rudi den japanischen Butoh-Tanz zeigte, der Trudi so fasziniert hatte. Sie fuhr mit ihm zum Fuji und war für ihn da, als er krank wurde. Auf dieser Reise, die seine letzte sein sollte, kam Rudi seiner Frau so nahe, wie es nicht möglich war, als sie noch lebte.

Diese Vorgeschichte hat Dörrie 2008 auf zauberhafte Weise in "Kirschblüten - Hanami" erzählt. Ihr neuer Film ist ein vom japanischen Geisterglauben inspiriertes Wiedersehen mit der Familie Angermeier, bei dem der Sohn Karl im Vordergrund steht. Hannelore Elsner und Elmar Wepper sind noch einmal Trudi und Rudi. Karl wird nicht mehr von Maximilian Brückner verkörpert, sondern von Golo Euler.

In der Stube versammeln sich die Familiengespenster, auch die Nazi-Großeltern sind gekommen

Karl soll Yu Rudis Grab und dessen Haus im bayerischen Allgäu zeigen. "Da unten sind die Toten", sagt Yu dort über den Brunnen. Nachts trifft er in der Stube auf seine toten Eltern. An den Rändern sind sie unscharf, die Kamera schwankt. Die Toten machen Karl Vorwürfe, weil er nicht glücklich ist. "Kinder sind so enttäuschend", sagt Rudi, der als Geist so viel härter ist, als man ihn im ersten Teil kennengelernt hat. Starr sitzt der Patriarch am Kopf der Tafel, sein Sohn ist ihm zu weich, zu schwach. Während Karl verzweifelt, weiß Yu besser, wie man mit Geistern umgeht. Es bringt nichts, vor seinen Dämonen wegzulaufen. Besser ist es, ihnen Tee anzubieten. Für Karl funktioniert das nur bedingt, da ist zu viel Unverarbeitetes. Schon die alten Teller bringen ihn aus der Fassung. Rebhuhn, Fuchs, Reh, Hase und Wildschwein: Jedem Familienmitglied war beim Essen ein bestimmtes Motiv zugewiesen. Karl bekam immer den Rebhuhn-Teller, und wie er es hasste, das Rebhuhn zu sein.

In diesem Film ist kaum etwas kein Symbol. Überall steckt eine Bedeutung, die dem Zuschauer zu oft per Holzhammermethode dargeboten wird. In der Stube sitzen des Nachts nicht nur die toten Eltern, sondern auch noch deren Eltern - natürlich in Nazi-Uniform. Die Vergangenheit ist nicht totzukriegen, schon gar nicht die deutsche. Karls Bruder ist in einer Partei, die stark an die AfD erinnert, sein Neffe lässt sich aus Protest ein Hakenkreuz auf die Stirn tätowieren. Aber das reicht Dörrie nicht. Karl muss zweimal fast sterben und ein Körperteil verlieren, um sich näherzukommen. Im Kimono seiner Mutter, den einst schon Rudi trug, macht er sich auf nach Japan. Auch dort sind sie da, seine Dämonen. Neben dem Kimono taucht der rosafarbene Telefonhörer mit dem langen Spiralkabel aus Teil eins wieder auf. Traumhafte Bilder hat Dörrie vor elf Jahren unter blühenden Kirschbäumen geschaffen. Aber von diesen visuellen Höhepunkten hat die Fortsetzung zu wenige. "Kirschblüten & Dämonen" fehlt die Ruhe und die zarte Melancholie des Vorgängers.

Kirschblüten & Dämonen , D 2019 - Regie, Buch: Doris Dörrie. Kamera: Hanno Lentz. Mit: Golo Euler, Hannelore Elsner. Constantin, 116 Minuten.

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Quelle:
SZ vom 12.03.2019
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