Da gab es dieses Schild, und es gab das Dekolleté. Wer dem Pappdeckel seine Blicke schenkte, den Klaus Lemke bei der Filmfesteröffnung im Mathäser hochhielt, der konnte "Ströhl raus, Finale rein" lesen. Neben dem Karacho-Regisseur, in einem Kleid, das so rot war wie gefährlich, posierte Saralisa Volm, Lemkes Muse. 2007 war das, als das schmutzige Sommermärchen-Sittengemälde "Finale" von den Festivalmachern abgelehnt worden war. "Ich hatte keine Ahnung, wer Ströhl ist. Aber Klaus sagte, der ist scheiße", erinnert sich die Schauspielerin heute.
Zehn Jahre sind vergangen, und Saralisa Volm besucht erneut das Filmfest. Vieles hat sich verändert. Andreas Ströhl ist nicht mehr der Leiter, und die Wahl-Berlinerin aus Freising braucht nicht gegen irgendwas zu protestieren. Im Gegenteil, es läuft bei ihr, wie man nicht nur in der Hauptstadt sagt. Volm feiert in München ihren 32. Geburtstag, und mit ihrer eigenen Firma Poison hat sie einen der spannendsten Filme der 35. Festival-Ausgabe produziert. Ein Film, so spannend wie ihre Karriere: vom Lemke-Mädchen zur entschlossenen Independent-Unternehmerin. Das Dekolleté ist dezenter geworden.
Der Film, um den es geht, und über den in der Stadt gerade gesprochen wird, heißt "Fikkefuchs" (an diesem Mittwoch, 15 Uhr, Kinos Münchner Freiheit). Der Film heißt wirklich so, und der Name ist Programm. Vordergründig eine Vater-Sohn-Geschichte, im Kern ein Schlingerkurs ins Reich der Testosteron-Tonis, sozusagen ein Coming-of-Man-Film in Zeiten von Aufreißerseminaren, Internet-Pornos und Emanzipation. "Schon beim Drehbuchlesen war mir klar: Der Film tut weh", erzählt Saralisa Volm und blinzelt in die Sonne über der Terrasse der Goldenen Bar. Man kann nicht anders und muss an die Szene im Film denken, in der der nicht weniger als großartige Franz Rogowski die von Volm gespielte Psychologin auf ihr Schielen, nun ja, anspricht: "Wer hat dir denn gegen die Schüssel getreten?", ätzt er. Oder so ähnlich, der Typ nuschelt stärker als Grönemeyer nach einer VfL-Aufstiegs-Party.
Volm kam zufällig an den Fikke-Stoff, weil sie den Regisseur und Hauptdarsteller Jan Henrik Stahlberg (bekannt aus "Muxmäuschenstill") für ein anderes Projekt castete. Daraus wurde nichts, aber "Fikkefuchs", den Stahlberg mit Wolfram Fleischhauer schrieb, sollte ihr gemeinsames Ding werden. Das war Ende 2014, und sogleich wurde die Finanzierung per Crowdfunding auf den Weg gebracht. "Wir haben am meisten Spaß, wenn wir frei produzieren können", dachte sich die Produzentin; beim Erzählen wählt sie gerne die Formulierung "auf der Rasierklinge". Überhaupt sitzt einem da eine junge Frau gegenüber, die klare Vorstellungen zu haben scheint, was einen guten Film ausmacht - dabei ist das ihre erste Spielfilmproduktion: "Ich brauche eine sehr hohe Emotionalität", sagt Volm. "Ich muss stark mit den Figuren mitgehen können, und es muss immer ein Thema verhandelt werden." Das Thema ist hier klar definiert, es sind die Männer und ihr verkorkstes Verhältnis zu den Frauen. Volm sagt, "Fikkefuchs" sei auch ein feministischer Film, weil er die mangelhafte Emanzipierung der Männer zeige. Das mag ein bisschen seltsam klingen aus dem Mund einer Frau, die in "Finale" ein Callgirl spielt und auf dem Cover zu Lemkes "Berlin für Helden" in einer Short steckt, die gern ein Gürtel geworden wäre. Und doch hat sie insofern recht, als der Film vorrangig das Scheitern der Männer an den überlegenen Frauen satirisch offenbart.
Einer, der sein Mannsein nicht hinterfragen dürfte, ist Klaus Lemke. Die Begegnung mit dem Vielfilmer, Jahrgang 1940, war wegweisend für Saralisa Volm. Geboren 45 Jahre nach Lemke in Hechingen, aufgewachsen in Freising, nach der Scheidung der Eltern zunächst bei der Mutter in Sindelfingen, dann beim Vater in Bad Tölz, zog es die junge Abenteurerin erst nach Münster (der Liebe wegen), dann nach Hamburg (der Liebe zum Kino wegen). "Ich wollte unbedingt zum Film", sagt Volm, die sich gut an die Schicksalstage 2006 in Hamburg erinnert - auch wenn sie die Anekdote, wonach Lemke sie auf der Straße entdeckt habe, nicht kommentieren möchte. "Schon beim ersten Treffen sagte er: Wir probieren es. Er hat nicht viel erwartet - ich total viel. Ich dachte mir, mein Leben hängt davon ab." Am nächsten Tag sei es losgegangen, eine Szene in der Cobra Bar in St. Pauli. "Finale" wurde ihr erster Film, einfach so. Ohne Schauspielunterricht, ohne Casting. Und es war beflügelnd: "Das war wie nach Hause finden", sagt sie. "Wo man all seinen Irrsinn parken kann." Und sie ist dankbar: "Von ihm habe ich gelernt: Man muss mit dem leben, was man hat. Man hört ja oft: Das geht nicht. Dann muss man halt einen Weg finden."
Darin ist sie gut. Saralisa Volm hat Kunstgeschichte und Philosophie studiert, sie kuratiert Ausstellungen, ist dreifache Mutter, worüber sie ein Buch geschrieben hat ("Mamabeat"). Dazu noch die Produktionsfirma. Wie sie das auf die Reihe kriegt? "Ganz ehrlich? Schlecht", sagt sie und schielt gerissen in die Sonne. Man glaubt ihr kein Wort und muss an die Szene in Lemkes neuem Werk denken, das ebenfalls beim Filmfest Premiere hat (an diesem Mittwoch, 22 Uhr, Arri). In "Making Judith!" ist die Münchner Allrounderin Pollyester zu sehen, eine lässige Frau wie Volm, wie sie zu Klaus Lemke sagt: "Ich will, dass du mit mir einen Film drehst wie Saralisa in ,Dancing With Devils'. Oder bin ich dir nicht cool genug?"