Kino:Schweinebauer aus Schwabing

Der Münchner Schauspieler Golo Euler ist keiner, der sich in den Vordergrund drängt. In "Die letzte Sau" spielt er einen verschrobenen Landwirt, auf dessen Hof ein Meteoritenhagel einschlägt

Von Josef Grübl

Er würde es im wahren Leben höchstens noch ins Fernsehen schaffen. Als "schweigsamer Schweinebauer" in die RTL-Landwirtschaftsschau zum Beispiel, dazu gäbe es Bilder von sattgrünen Wiesen und rosigen Ferkeln; er selbst hätte eines davon im Arm. Schon bald würde er eine heiratswillige Hobbybäuerin umarmen, bei seinem Aussehen vielleicht sogar zwei oder drei. Der Schauspieler Golo Euler mimt den Schweinezüchter Huber, der mit seinem bockigen Blick und der rotblonden Out-of-Bed-Frisur die Damenwelt durchaus begeistern, von seinem Beruf aber nicht mehr leben kann.

Solche Schicksale gibt es hierzulande viele, "Die letzte Sau" muss also noch andere Geschütze auffahren: So gibt der Huberbauer erst dann seinen Hof auf und wird zum Öko-Vagabunden, als ein Meteorit bei ihm einschlägt. Dieser wiederum hat etwas mit dem Schauplatz des Films zu tun: Das Nördlinger Ries liegt in einem Meteoritenkrater, die Menschen dort gelten als eigenbrötlerisch. Das ist auch der Bauer im Film, Euler muss nicht viel sagen, höchstens mal "Scheißdregg" oder "Dreggsau". Der Meteoritenhagel über dem Huber-Hof signalisiert dem Zuschauer aber auch, dass er keinen gewöhnlichen Heimatfilm zu sehen bekommt: Hier gibt es nicht viel zum Schmunzeln, hier serviert auch keine patente Oma deftige Hausmannskost. Und mit dem nervigen "Mia san mia" der Ober- und Niederbayern hat man es in Bayerisch-Schwaben ohnehin nicht so. Von dort will der Bauer fort, also macht er sich mit der titelgebenden Sau auf den Weg, Rebellenabenteuern entgegen. Der 34-jährige Schauspieler stürzt sich mit vollem Körpereinsatz ins Geschehen, er verpasst sich eine Kriegsbemalung und flucht mit schwäbischem Zungenschlag, zur Karikatur wird er aber nie. Der Film von Aron Lehmann ("Kohlhaas oder die Verhältnismäßigkeit der Mittel") gibt sich wild und anarchistisch, da ist ein Schauspieler, der sich auch einmal zurücknehmen kann, eine gute Wahl. "Golo hatte 31 Drehtage, er ist in jeder Szene zu sehen", sagte Lehmann vor drei Monaten bei der Premiere auf dem Filmfest München. "Er hat die Figur genau erkannt, als ob er mir in den Kopf geschaut hätte." Trifft man Golo Euler, denkt man an keine Gedankenleser und auch an keine schwäbischen Schweinebauern. Man schüttelt einem hochgewachsenen, hochdeutsch sprechenden Stadtmenschen die Hand, der alles Mögliche sein könnte: Sportler oder Student, Arzt oder Arbeiter, Künstler oder Koch. Und genau deswegen ist er natürlich der Richtige: Er überrascht und unterläuft Erwartungen.

Golo Euler, 2016

Wer wie Golo Euler in Schwabing aufgewachsen ist, liebt den Elisabethmarkt. Zum Interview wollte sich der in Berlin lebende Autor auch genau da treffen.

(Foto: Florian Peljak)

Als Treffpunkt hat er den Elisabethmarkt in Schwabing vorgeschlagen, ganz in der Nähe wuchs er auch auf. In seiner Geburtsurkunde steht Starnberg, doch mit den Menschen dort verbindet ihn wenig: "Dort bin ich nur geboren, ich bin Schwabinger." Heute lebt Golo Euler in Berlin, nach der Schule, diversen Jobs und der Schauspielausbildung an der Bayerischen Theaterakademie war es Zeit für einen Ortswechsel, sagt er. Sein Bruder, der als Illustrator arbeitet, war bereits in der Hauptstadt, 2008 folgte er ihm.

Es ist ein heißer Sommertag, Euler trägt kurze Hosen und ein graues T-Shirt, die Haare sind heller und kürzer als im Film. Neben ihm liegen ein Notizbuch und sein Telefon. Nach dem Gespräch führt er einige Telefonate, das Nomadenleben eines Schauspielers erfordert eben einiges an Organisation. Er ist mit einer Kollegin zusammen, letztes Jahr wurden sie Eltern einer Tochter.

Vor der Kamera wirkt er aber immer noch recht jungenhaft. Das liegt an seinem Lachen und den freundlichen Gesichtszügen, in seinen Rollen kommt er oft arglos daher. Gerade das macht er sich aber zu Nutze: Die Zuschauer können sich identifizieren mit ihm, umso glaubwürdiger wirkt es, wenn er in Schwierigkeiten gerät und dagegen ankämpft.

Und er musste schon viele Kämpfe ausstehen, zumindest beruflich: Im Nachwuchsfilm "Auftauchen" aus dem Jahr 2006 durchlebte er das Auf und Ab einer chaotischen Beziehung, drastische Sexszenen inklusive. Das verschaffte ihm Anerkennung in der Branche und weitere Angebote, vor allem im Fernsehen. Ein paar Theaterrollen waren auch dabei, unter anderem am Münchner Metropoltheater. 2011 wurde er auf dem Filmfest München für "Kasimir und Karoline" mit dem Förderpreis Deutscher Film als bester Schauspieler ausgezeichnet. Vor zwei Jahren spielte er in der legendären "Tatort"-Folge "Im Schmerz geboren" einen sympathischen Scharfschützen, der wie ein Kind nach seiner toten Mutter fragt.

Er habe einen ausgeprägten Spieltrieb, sagt er, dieser sei auch sein Antrieb. In den vergangenen Jahren spielte er in einigen Krimis und Serien, im Kino sah man ihn in den Nachwuchsfilmen "Fado", "Ferien" und "Anderswo". Auch in Wes Andersons "Grand Budapest Hotel" hatte er eine kleine Rolle. Er schwärmt von den Dreharbeiten in Görlitz und von Kollegen wie Ralph Fiennes oder Jeff Goldblum, nach Hollywood zieht es ihn deswegen aber nicht. Er wolle weiter Filme drehen, sagt er zum Abschied, gerne mehr Kino, auch ein festes Theaterengagement wäre irgendwann einmal schön. Im wahren Leben schafft es Golo Euler eben überall hin, nicht nur ins Fernsehen.

Die letzte Sau, 2016, Regie: Aron Lehmann, äuft seit Donnerstag in den Kinos

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