Süddeutsche Zeitung

Samuel L. Jackson wird 70:Gleich gibt's Ärger, du Wicht!

Lesezeit: 3 min

Von David Steinitz

Samuel L. Jackson zu treffen ist so eins der Erlebnisse, die man als Filmreporter nicht vergisst - vor allem, wenn der Anlass so merkwürdig ist wie vor ein paar Jahren in den Bavaria-Studios in München. Da drehte er gerade einen finnischen Actionfilm, weil es bayerische Fördergelder gab - ein Wunderwerk der globalisierten Kinowirtschaft.

Dieses Werk mit dem Titel "Big Game" pries der finnische Regisseur als Mix aus "Rambo" und "Kevin - Allein zu Haus" an, und ungefähr so sah es dann auch aus. Ein 13-jähriger Jägerjunge trifft im eiskalten finnischen Hinterland zufällig auf den Präsidenten der USA (Jackson), weil der mit der Air Force One abgestürzt ist und von Terroristen gejagt wird, die er nur mithilfe des Jungen abschütteln kann. Der Regisseur wirkte selbst überrascht, dass er tatsächlich den Samuel Leroy Jackson für diesen Unsinn hatte gewinnen können. Aber Jackson, der sagt, dass er nun mal gerne und viel und überall und auch Trash dreht, solange nur ein Golfplatz zur Erholung in der Nähe ist, war gekommen.

Die PR-Leute baten darum, zwei Dinge zu beachten. Man solle dem Herrn Jackson bitte, bitte, bitte nicht die Hand schütteln, das möge der nämlich nicht; und man möge ihn bitte, bitte, bitte auch nicht nach seinem Besuch auf dem Oktoberfest fragen, da seien ihm im Bierzelt schon genug Paparazzi auf die Nerven gegangen. Warum genau ein Kollege aus dem kleinen Pressetrupp Jackson dann zur Begrüßung die Hand hinstreckte und fragte, ob es denn lustig gewesen sei, auf dem Oktoberfest, ist bis heute leider ungeklärt.

Die Reaktion des Stars, der ohnehin schon sehr missmutig in einem grauen Jogginganzug in einem noch graueren Büroraum saß, hätte man aber gerne mit einer Kamera festgehalten. Da blähten sich die Nasenlöcher - man hätte fast von Nüstern sprechen können -, und es entfuhr dem Mann ein Schnaufen, wie es nur einer sehr großen Hollywoodlegende nach ein paar Jahrzehnten blöder Journalistenfragen entfahren kann. Und es formte sich in seinem Gesicht ein Killerblick, der jedes Gegenüber auf Wichtelgröße schrumpfen ließ. Das darauf folgende Pressegespräch lässt sich recht treffend mit dem Adjektiv "einsilbig" zusammenfassen.

Aufregend war es natürlich trotzdem, einmal dem einschüchternden Blick des Samuel L. Jackson ausgesetzt gewesen zu sein. Denn es ist schließlich dieser Gleich-gibt's-Ärger-Blick, der spätestens mit "Pulp Fiction" zu seinem Markenzeichen wurde. Da hatte er als Gangster Jules ein paar halbstarke Kids schon längst in Grund und Boden gestarrt, bevor er zum Schluss noch mit der Pistole auf sie anlegte. Diese Rolle des lässigen Gauners, der von einer Sekunde auf die andere von Small Talk auf Showdown umschaltet, hat er sich bei seinem Lieblingsschauspieler Errol Flynn abgeschaut - und dann noch mehrfach für Quentin Tarantino gespielt, zuletzt als Kopfgeldjäger in "The Hateful 8". Dem Regisseur Tarantino ist es zu verdanken, dass Jackson von der zweiten in die erste Hollywoodreihe aufrückte.

Jackson, geboren 1948 in Washington, D.C., hatte in den Siebzigerjahren mit der Schauspielerei angefangen, und zwar wirklich wortwörtlich am unteren Ende der Karriereleiter. Er arbeitete zum Beispiel als Double für Bill Cosby, wenn in der "Cosby Show" das Licht eingerichtet wurde und der Star noch in der Garderobe saß.

"Ich hab einfach immer genommen, was grad da war..."

Größere Aufritte bekam er erst bei Spike Lee, dem Helden des schwarzen US-Kinos, mit dem er ab den Achtzigern zusammenarbeitete, unter anderem bei "Do the Right Thing" und "Mo' Better Blues". Aber große Auftritte im schwarzen Kino bedeuteten in Hollywood damals weiterhin kleinere Auftritte im weißen Mainstream. Weshalb Jackson im Blockbuster-Business vor allem als Nebenfigur ("Jurassic Park") oder Sidekick ("Stirb Langsam - Jetzt erst recht") fungierte. Beide Karrierezweige vereinte dann schließlich Tarantino, indem er ihm Rollen auf den Leib schrieb, die ihre Wurzeln halb in der Tradition des Blaxploitation-Films, halb im Mainstreamkino hatten - eine Mischung, die für Jackson perfekt funktionierte.

Als "Pulp Fiction" herauskam, war er Mitte vierzig, und der plötzliche Weltruhm führte in der Folge zu einem Phänomen, das man auch von anderen Hollywood-Spätzündern wie Morgan Freeman oder Anthony Hopkins kennt. Jetzt, wo Jackson endlich ohne Pause drehen konnte, was er wollte, drehte er auch fast alles, was ihm angeboten wurde: vom Marvel-Comic-Blockbuster über "Star Wars" und deftige Indieproduktionen wie "Black Snake Moan" bis zu kleinen Trash-Übungen wie "Snakes on a Plane" oder eben "Big Game".

Beim Treffen in München sagte er dazu: "Ich hab Fernsehen gemacht, Kino, Theater, Schultheater. Ich hab einfach immer genommen, was grad da war ..." So mancher Hollywoodkollege würde darüber die Nase rümpfen. Viele Stars glauben, dass ihre Auftritte wertvoller werden, je mehr sie sich rar machen. Aber schaut man sich die nüchterne ökonomische Bilanz an, dann ist der Fließbandarbeiter Samuel L. Jackson, der am Freitag siebzig Jahre alt wird und von dem allein 2019 sechs neue Filme ins Kino kommen, der kommerziell erfolgreichste Schauspieler Hollywoods. Seine Filme haben zusammengezählt mehr als fünf Milliarden Dollar eingespielt - mehr als die aller anderen Kollegen.

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Quelle:
SZ vom 21.12.2018
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