Kino: Parkour:Eifersucht ist ungesund

Christoph hat den perfekten Körper, ist Meister im Parkour-Laufen. Psychisch aber wird er langsam zum Pflegefall.

Julia Amalia Heyer

Gleißend sinkt die Sonne über einem verlassenen Industrieareal; taucht Schornsteintürme, Betonruinen und Baugruben in dickes, goldenes Licht. Wie für ihr ureigenes Schattenspiel erhascht die Kamera die Silhouetten dreier junger Männer bei ihrem Hindernislauf; verfolgt sie beim Springen von abrupt endenden Rampen, beim Hürdenschritt über Zäune, beim Klettern über Mauern. Nach einem letzten Sprung landen die drei in einem Pool.

Mit dem Zusammenspiel von Körpern und Licht zu drängenden Akkorden beginnt Marc Rensings Spielfilmdebüt "Parkour" in fast rauschhaften Bildern. Den Titel gibt die Extremsportart; der Weg ist gleich Luftlinie beim Parkour-Laufen. Und die Überwindung sämtlicher Hindernisse damit eine ziemlich physische Prämisse. Genau darin ist Richie (Christoph Letkowski) Meister. So geradlinig, wie er beim Training jedes Hindernis überwindet, scheint auch Richies Leben zu verlaufen: Selbständiger Gerüstbauer, die Auftragslage ist okay.

Nach jedem neuen Beweis körperlicher Bestform federt er auf gepolsterten Sohlen nach Hause, trinkt einen Liter Vollmilch, duscht und liebt seine katzenäugige Freundin Hannah (Nora von Waldstätten). Eine Geschichte über krankmachende Eifersucht wollte er erzählen, sagt Marc Rensing, der für seinen Film bereits mit mehreren Förderpreisen ausgezeichnet wurde.

Szenen, die aus einer Turnschuhwerbung stammen könnten, hat er in Kontrast zu dem nicht minder gewollt inszenierten Kammerspiel einer zerbrechenden Beziehung gesetzt. Denn Richie und Hannah haben unterschiedliche Ambitionen.

Sie möchte studieren, steht deshalb kurz vor dem Abitur an der Abendschule. Je näher die Prüfung rückt, desto mehr Zweifel befallen Richie, ob das Leben mit einer hochschulreifen Freundin wohl noch dasselbe sein wird.

Eifersucht sei die Angst vor dem Vergleich, heißt es bei Frisch - und Richie, der Handwerker im Zimmermannscord, pflegt Minderwertigkeitsgefühle gegenüber denjenigen, die mit dem Kopf arbeiten. Sein zweifellos gesunder Körper wird von einem zunehmend zermürbten Geist bewohnt: Richie, dem im Spiel keine Brüstung für einen Sprint zu schmal ist, verliert im richtigen Leben die Balance.

Jede Lappalie bestärkt seine Ahnung, betrogen zu werden. Wenn Hannah nach dem Mathelernen mit seinem besten Freund ein anderes T-Shirt trägt, dann mag der Grund dafür ein Kaffeefleck sein - es hilft trotzdem nichts, immer tiefer frisst sich das Misstrauen in Richies Psyche. Nach und nach zerstört die Paranoia seine Existenz; macht ihn zum Arbeitslosen, zum Schläger, zum psychischen Pflegefall.

Christoph Letkowski spielt diesen Richie glaubhaft als zuerst gesunden, sportlichen, zufriedenen Jungen, der, eben weil er immer so gesund, so sportlich und so zufrieden war, gar nicht weiß, wie ihm geschieht. Und sich deshalb auch nicht gegen die bösen Gedanken zu wehren vermag. Bis zuletzt blickt er so ungläubig auf das eigene Handeln, als widerfahre es ihm einfach so.

Nichts geschieht beiläufig in Marc Rensings "Parkour", bis ins allerkleinste Detail sind seine Bilder durchkomponiert. Verblichene Farben, krude Schnitte, Richies Verwandlung wird aufs sorgfältigste inszeniert. Das kann durchaus beeindrucken - wie der Hindernislauf zu Beginn des Films. Manchmal ist es aber auch schlicht zu viel des Guten; dann ertappt man sich ganz unweigerlich dabei, dem Plot ein bisschen Vorschub leisten zu wollen. Um der Überinszenierung, dem Kitsch, Einhalt zu gebieten.

PARKOUR, D 2009 - Regie: Marc Rensing. Buch: Rensing, Rüdiger Heinze. Kamera: Ulle Hadding. Mit Christoph Letkowski, Nora von Waldstätten, Marlon Kittel. Projektor Verleih, 100 Minuten.

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