Kino: Nicolas Cage in "Next":Melancholie für Mutanten

Zukunftsbewältigung: Nicolas Cage ist uns als Hellseher Cris Johnson zwei Minuten voraus. Zunächst nur in einer Las-Vegas-Show, später doch noch als Weltretter.

Fritz Göttler

Was für eine Vergeudung: Dieser Mann, der befähigt ist, in die Zukunft zu schauen - nun ja, er sieht, was in den nächsten zwei Minuten passieren wird, vor Ort, und er kann sein Handeln danach ausrichten und von den möglichen Varianten die effektivste wählen oder zumindest die am wenigsten schlimme. Und wozu nutzt er diese Gabe? Er bestreitet Zauber-Shows in einem billigen Las-Vegas-Nachtclub . . . Und wenn er knapp bei Kasse ist, und das ist er ziemlich oft, geht er in eins der Casinos und holt sich an den Slotmaschinen oder beim Blackjack ein paar Dollars.

Kino: Nicolas Cage in "Next": Hellseher in Aktion: Nicolas Cage in "Next".

Hellseher in Aktion: Nicolas Cage in "Next".

(Foto: Foto: AP)

Ein Mann also, der nicht im Traum daran denkt, sich zum Wohl der Menschheit zu betätigen, und der zudem nicht mal eine richtig gute Show hinkriegt. Eines Tages hockt er dann tatsächlich in einem Diner und probiert diverse Maschen durch, um Jessica Biel anzumachen, die an einem Tisch sitzt. Was für eine Vergeudung: Nicolas Cage, den viele immer noch messen an seiner Leistung in "Leaving Las Vegas", verzettelt sich seit einigen Jahren in seiner schauspielerischen Karriere. Moniert die amerikanische Kritik. Liefert erstklassige Leistungen in drittklassigen Filmen - von "Wicker Man" bis "Ghost Rider".

Aber "Next" gibt eben keine Sekunde vor, mehr zu sein als ein kleines Actionmovie, das macht die wahre Stärke des Films aus. Sein Held ist eine gespaltene Persönlichkeit, zeitlich diversifiziert, in die verschiedenen Varianten seines künftigen Handelns. Schon sein Haarschopf macht ihn zur tragikomischen Gestalt, ein dichtes Ungetüm, dessen Anflug von Prinz-Eisenherz-Helm durch die hohe Stirn vereitelt wird - zum Eindruck eines Intellektuellen aber langt es dann doch nicht.

Nicolas Cage, der diesen Film gleich nach seiner Minimalismus-Übung "World Trade Center" drehte, hat diesen Cris Johnson ernst genommen. Der Film ist inspiriert von einer Geschichte von Philip K. Dick aus dem Jahr 1954, von der gerade mal die Zwei-Minuten-Gabe und der Name des Helden geblieben ist - was die Absurditäten, mit denen das Geschäft der Hollywood-Adaption belastet ist, auf die Spitze treibt. "Der Goldene Mann" ist eine der wenigen PKD-Stories, die ein Happy-End haben - keins für uns freilich, die menschliche Rasse -, sie zehrt von den damaligen Diskussionen um Mutanten, vom Kribbeln, das man verspürt, wenn man den Umgang mit möglichen Übermenschen sich ausmalt.

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Auch die künftigen neuen Erfahrungswelten deuten sich an in der Zwischenwelt von Cris, die Drogen- und LSD-Trips, die Dick in den Sechzigern machen wird. "Unsere Gegenwart bezieht sich auf die Vergangenheit. Nur die Vergangenheit ist sicher, für uns. Für ihn ist die Zukunft sicher. Und er erinnert sich wahrscheinlich nicht an die Vergangenheit, ebensowenig wie ein Tier sich erinnert, was passiert ist."

Nicolas Cage spielt nicht psychologisch, sondern tänzerisch, macht den Verzögerungseffekt spürbar, der eine neue Art von Spontaneität kreiert - er hat sich vom Modern-Dance-Choreographen Scott Grossman trainieren lassen. Der Film packt die Elemente des Nach-9/11-Traumas zusammen. Es gibt sogar eine Terrordrohung, eine Gruppe europäischer Verbrecher hat eine Atombombe in die USA eingeschmuggelt - Thomas Kretschmann ist ihr Anführer, und diese Rolle ist ein schlechter Ersatz für die des Stauffenberg, die ihm Tom Cruise weggeschnappt hat in "Valkyrie" -, und Cris soll mit seinen Fähigkeiten dem FBI - von Julianne Moore angenehm tough und kantig verkörpert - helfen, die Verbrecher zu finden und die Explosion zu verhindern . . .

Der Film ist diesem Plot und seinem Suspense gegenüber merkwürdig gleichgültig. Er interessiert sich mehr für jene Melancholie, jene somnambule Trance, in der jene Menschen sich finden, die ohne feste Perspektive sind. Die meiste Zeit verbringt der Film in einem kleinen Ort in den Rockies, wo alle auf engstem Raum versammelt sind, sich beobachten, gegeneinander intrigieren. Das ist ein richtiges amerikanisches Idyll, gefilmt in intensivem goldenem Licht.

NEXT, USA 2007 - Regie: Lee Tamahori. Buch: Gary Goldman, Jonathan Hensleigh, Paul Bernbaum, nach einer Geschichte von Philip K. Dick. Kamera: David Tattersall. Schnitt: Christian Wagner. Mit: Nicolas Cage, Julianne Moore, Jessica Biel, Thomas Kretschmann, Tory Kittles, Peter Falk, José Zúñiga, Laetitia Danielle. Universal, 96 Minuten.

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