Kino:"Furchtbar ist es, wenn an der falschen Stelle gelacht wird"

Lesezeit: 4 min

Michael "Bully" Herbig bringt gerade sein erstes Actiondrama ins Kino. Hier erklärt der Meister der Komödie, was er von den übrigen Filmgenres hält.

Von Josef Grübl

Vor dem Green Screen: David Kross als Günter Wetzel (im Ballon links) und Friedrich Mücke als Peter Strelzyk. (Foto: Studiocanal/Marco Nagel)

Vielleicht war das mit der Komiker-Laufbahn ja nur ein Missverständnis. Eigentlich träumte Michael "Bully" Herbig immer von einer Karriere als Filmemacher, als Kind lief er mit einer Videokamera durch die Gegend, seine Vorbilder hießen Steven Spielberg, George Lucas oder Alfred Hitchcock. Doch an der Münchner Filmhochschule (HFF) wurde er abgelehnt, also ging er einen anderen Weg und wurde Spaßmacher beim Radio, später auch im Fernsehen und Kino. Seine Filmparodien "Der Schuh des Manitu" und "(T)Raumschiff Surprise - Periode 1" zählen zu den erfolgreichsten deutschen Filmen der vergangenen Jahrzehnte, auch als Schauspieler feierte er Erfolge ("Vier gegen die Bank", "Die Geschichte vom Brandner Kaspar"). Jetzt aber macht der im Frühjahr 50 Jahre alt gewordene Herbig ernst: Sein heute in den Kinos anlaufender Film "Ballon" ist alles andere als eine Komödie. Er selbst spielt darin nicht mit, führte aber Regie, produzierte und war Ko-Drehbuchautor. Als Filmemacher orientiert sich der Münchner an Genrestandards und US-Vorbildern, beim Gespräch in seinem Büro auf dem Bavaria Filmgelände hat Michael "Bully" Herbig dann auch einiges zu sagen...

... über Thriller

"Ballon" ist die auf wahren Begebenheiten basierende Geschichte zweier Familien, die Ende der Siebzigerjahre in einem selbst genähten Heißluftballon aus der DDR fliehen wollen. Ihr erster Versuch scheitert, sie hinterlassen Spuren, ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt. Das ist ein klassisches Spannungsszenario, mit tickender Uhr und Suspense, deswegen bezeichne ich den Film auch ganz klar als Thriller. Das Genre mochte ich schon immer, ich bin ja mit Hitchcock filmisch sozialisiert worden. Mit zehn oder elf habe ich meinen ersten Hitchcock-Film gesehen, heimlich durch den Türspalt. Das war "Die Vögel". Seitdem habe ich mich immer gefragt, wie das bloß geht, warum ich nicht wegschauen konnte. Bei "Psycho" ging es mir genauso, ich wurde zum Hitchcock-Fan.

Regisseur Michael Bully Herbig am Set. (Foto: Studiocanal/Marco Nagel)

... über Dramen

Es gibt auch dramatische Elemente in meinem Film. Man darf ja nicht vergessen, welches Risiko die beiden Familien eingegangen sind. Viele Leute haben ihre Fluchtversuche aus der DDR mit dem Leben bezahlt. Was ich in deutschen Dramen oft vermisse ist, dass es kein Ventil zum Durchatmen gibt. In amerikanischen Dramen findet man immer ein paar Stellen, wo auch gelacht werden darf. Selbst bei "Schindlers Liste" von Steven Spielberg gibt es das. Ich erinnere mich an diese eine Szene, in der der Frauenheld Schindler von seiner Frau in flagranti erwischt wird. Er soll ihr versprechen, dass so etwas nie wieder passiert, sonst würde sie sich von ihm trennen. Dann kommt ein Schnitt und man sieht einen Bahnhof, Frau Schindler reist im Zug ab, er winkt ihr hinterher. Das ist eine Pointe. Und da darf man lachen, selbst bei einem Film wie "Schindlers Liste". Ich finde es wichtig, auch in Dramen für Ausgleich zu sorgen. Humor ist kein Allheilmittel, kann aber tröstend sein. Und in Filmen hilft er, zu entkrampfen und kurz zu entspannen.

... über Komödien

Mir hat es immer gefallen, Ideen weiterzuspinnen. Eine große Inspiration für die TV-Show "Bullyparade" war die US-Comedy-Show "Saturday Night Live". Da fand ich immer faszinierend, wie viele Filme aus diesem Kosmos heraus entwickelt wurden: "Blues Brothers", "Wayne's World" oder "Die Coneheads". Die sind alle aus dieser kreativen Suppe entstanden. Dabei ist mir aufgefallen, dass wir auch in der "Bullyparade" verschiedene Genres bedienten. Wenn wir Lust auf Winnetou- oder Science Fiction-Sketche hatten, haben wir das einfach gemacht. So entstanden eine Menge Figuren, die beim Publikum gut ankamen. Irgendwann ergab sich die Chance, aus unseren Sketchen Kinofilme zu machen. So hat das angefangen - und wir nutzten natürlich auch die Synergien.

... über Actionfilme

Wenn ich ein Drehbuch entwickle und noch keine Schauspieler habe, suche ich mir gerne Vorbilder. Bei "Ballon" fand ich "Auf der Flucht" mit Harrison Ford und Tommy Lee Jones ein gutes Beispiel. Denn dieser Film zeigt beide Seiten, den Jäger und den Gejagten. Einen Actionfilm treibt man ja gerne auf die Spitze - vor allem, wenn die Leute glauben, das Ende zu kennen. Oder es erahnen, weil sie vielleicht von der Originalgeschichte gehört haben. Mir war bei der Drehbuchentwicklung wichtig, dass die Geschichte auch mal Haken schlägt. Die Zuschauer müssen sich zwischendurch sogar fragen: Das gibt's doch gar nicht? Haben die womöglich das Ende verändert? Natürlich sind wir der Wahrheit verpflichtet, aber die Leute müssen trotzdem mitfiebern. Für mich ist es der größte Albtraum, wenn sich die Zuschauer im Kino langweilen.

... über Abenteuerfilme

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Furchtbar ist es auch, wenn an der falschen Stelle gelacht wird. Wenn es unfreiwillig komisch wird. Da muss man aufpassen: Wann wird es zu kitschig oder zu pathetisch? Wobei das auch persönliches Empfinden ist. Oft spielt die Musik eine Rolle oder die Art, wie die Helden fotografiert werden. Mir ist ja interessanterweise schon bei meinem ersten Kinofilm "Erkan und Stefan" gesagt worden, dass er überhaupt nicht wie ein deutscher Film aussieht. Seitdem frage ich mich immer: Was ist denn deutsch an einem Film? Ich mache die Filme einfach so, wie ich sie selber sehen möchte. Und egal, ob Actionkomödien oder Abenteuerfilme: Ich drehe so wenig wie möglich für den Mülleimer. Wenn eine große Szene ansteht, bestelle ich keine fünf Helikopter und schaue, was wir so gedreht kriegen. Bei uns sind die Helis so kalkuliert, dass sie genau dreimal hochgehen können, weil der Sprit so teuer ist. Dann drehen wir dreimal und genau diese Aufnahmen landen auch im Film. Das machen die Amerikaner natürlich nicht. Die haben das Zehnfache an Budget und ballern erst einmal richtig los. Was davon in den Film kommt, entscheidet sich erst im Schnitt. Das Geld haben wir nicht, also überlege ich mir vorher genau, was ich brauche.

... über Horrorfilme

Wie gesagt bin ich großer Genre-Liebhaber, zum Horror zieht es mich aber nicht so hin. Falls Hitchcocks "Psycho" ein Horrorfilm sein sollte, dann ist das mein Lieblings-Horrorfilm. Auch den ersten "Alien" von Ridley Scott finde ich stark, das ist aber eine Mischung aus verschiedenen Genres, aus Thriller, Horror und Science Fiction. Mit modernen Horrorfilmen kann ich wenig anfangen. Ich kann verstehen, warum die Leute das mögen, mir macht Horrorgucken aber keine Freude. Horrorklassiker wie "Der Exorzist" habe ich bis heute nicht gesehen.

... über Musicals

Ich weiß noch nicht, was ich als nächstes machen werde. Alles ist möglich, außer Komödie. Aber ich finde sowieso, dass meine Filme immer unterschiedliche Genres bedient haben. Da wurde zwar gerne das Etikett "Komödie" drüber gebügelt, am Ende waren es aber immer mehrere Genres, Western, Abenteuerfilme oder Science Fiction. Ich bin auch großer Musical-Fan, "La La Land" fand ich sehr schön. Einmal habe ich zu Ralf Wengenmayr, der zu allen meinen Filmen die Musik geschrieben hat, aus Spaß gesagt: "Ralf, jetzt schreib mal eine Filmmusik - und ich mache dann den Film dazu."

© SZ vom 27.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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