Süddeutsche Zeitung

Kino made in Germany:Scharf auf Deutschland

Seit "Sophie Scholl" wächst das Interesse an heimischen Produktionen - Favorit in diesem Jahr ist Roehlers "Elementarteilchen"

Fritz Göttler

Die großen internationalen Stars werden wieder dabei sein, aber dennoch dürfte sich an diesem Wochenende auf der Berlinale alles vor allem um "Elementarteilchen", den neuen Film von Oskar Roehler, drehen. Und wenn man dem Hype glauben darf, der um diesen Film bereits seit einigen Tagen zu beobachten ist, dann wird das eins der ganz großen Ereignisse dieser Berlinale werden.

Ein deutscher Film im Zentrum des Berliner Festivalsinteresses, das ist eine neue Erfahrung. Der Hype kommt natürlich nicht von ungefähr, der Film basiert auf dem Erfolgsroman von Michel Houellebecq, ist von Bernd Eichinger produziert und versammelt von Moritz Bleibtreu bis Franka Potente alles, was Rang und Namen hat im deutschen Kino. Ein Film, nach dem jeder Festivalchef sich alle zehn Finger schleckt - und der, um vom Festivaltrubel zu profitieren, danach gleich in die Kinos gebracht wird.

55 deutsche Filme im Programm

Lange Zeit war es ja gar nicht gut gelaufen zwischen dem deutschen Kino und der Berlinale, mal abgesehen von ein paar mehr oder weniger erfolgreichen Auftritten von Fassbinder oder Achternbusch im Wettbewerb.

Man schrieb das gern dem diplomatischen Ungeschick des Festivalchefs Moritz de Hadeln zu und später auch der mangelnden Qualität des deutschen Kinos. Auch Wim Wenders war nicht wirklich erfolgreich, als er sich bereit erklärte, 2000 die Berlinale mit seinem kuriosen "Million Dollar Hotel" zu eröffnen.

Vor fünf Jahren hat dann Dieter Kosslick de Hadeln abgelöst und gleich dem deutschen Kino eine neue Chance auf seinem Festival gegeben; vier deutsche Filme liefen 2001 im Wettbewerb. Heute, bei seiner fünften Berlinale, sieht sich Kosslick bestätigt, denn inzwischen gibt es eine wahre Euphorie im deutschen Kino, die dieses Jahr ihren Höhepunkt erreicht:

Stimmungsmache für den deutschen Film

Die Gründung der Deutschen Filmakademie hat die Branche insgesamt stimuliert, das Fördersystem wurde umstrukturiert und soll für neue Motivation sorgen, im Ausland ist man wieder scharf aufs deutsche Kino - vor ein paar Tagen erst wurde "Sophie Scholl" für den Oscar als bester fremdsprachiger Film nominiert, ein Film, dessen Erfolgszug auf der vorjährigen Berlinale begonnen hatte.

Mit seiner Stimmungsmache für den deutschen Film eifert Kosslick den Kollegen aus Cannes nach, bei denen die Förderung des französischen Kinos eine Selbstverständlichkeit war. Auf insgesamt 55 deutsche Filme kam man beim Nachzählen quer durch alle Sektionen, bei einem Gesamtangebot von etwa 400 Filmen, und das Spektrum reicht von digitalen Erstlingswerken bis zur Großproduktion.

Ein weites Feld für Entdeckungen - in der Panorama-Sektion laufen immerhin Filme wie "Der rote Kakadu", Dominik Grafs Beschwörung der DDR-Jugend kurz vor dem Mauerbau, oder "Das Leben der Anderen", in dem Florian Henckel von Donnersmarck konzentriert von Liebe, Verrat, Spitzeltum in der DDR erzählt. Das wären durchaus wettbewerbsfähige Filme gewesen - wird dem Festivalchef am Ende die Überfülle zum Verhängnis?

(SZ vom 09.02.2006)

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