Kino: "Louise Hires a Contract Killer":Die Rache des Proletariats

Da steppt der Killer, und Selbstverwirklichung ist Anarchie: Im Film "Louise Hires a Contract Killer" will eine Arbeitslose politisch ganz unkorrekt ihren Ex-Chef umbringen lassen.

Fritz Göttler

Es gibt einen, der immer gewinnt, zum Beispiel beim Kinderspiel "Stein Schere Papier", er lächelt versonnen, und seine Finger scheinen wie von selbst die richtige Konfiguration zu finden, und deshalb ist er auch der Boss im Betrieb.

Kino: "Louise Hires a Contract Killer": Louise (Yolande Moreau) engagiert Michel (Bouli Lanners), der sich ihr als effizienter Profikiller verkauft hat und nun den Ex-Boss erschießen soll.

Louise (Yolande Moreau) engagiert Michel (Bouli Lanners), der sich ihr als effizienter Profikiller verkauft hat und nun den Ex-Boss erschießen soll.

(Foto: Foto: Filmverleih)

Das Lächeln ist aber trügerisch, denn insgeheim hat der Boss den Betrieb längst liquidiert, die Maschinen nach China verkauft. Die Arbeiterinnen bleiben zurück, mit ihrer Misere, mit ihrer Wut. Wie sie morgens in die leere Halle tröpfeln, das ist ein schlimmes Bild menschlicher Verlorenheit. Selbst in der totalen Ausbeutung hat es offenbar ein Gefühl der Sicherheit, der Ordnung, des Aufgehobenseins gegeben. Noch schlimmer, noch grotesker, noch spektakulärer wird es dann, wenn eine von ihnen, Louise, kurz darauf ihre Wohnung verliert ...

Die Filmemacher Gustave de Kervern und Benoît Delépine sind würdige Vertreter des modernen Surrealismus, der sehr viel anarchischer ist als der der Zwanziger, aber auch bodenständiger. Lustvoll beschwört er jenes Bürgertum, dem er entsprang, den Genius der Gründerzeit.

De Kervern und Delépine machen mit bei der legendären Fernsehsatire "Groland" und haben selbst eine kleine Serie über "Don Quichotte de la révolution" gemacht. Bei uns sind sie bekannt geworden durch ihren ersten Film, das Rollstuhl-Roadmovie "Aaltra" - zwei gelähmte Streithanseln düsen nach Finnland, um die Firma des titelgebenden Traktors auf Schadenersatz zu verklagen.

Im neuen Film, "Louise Hires a Contract Killer", ihrem dritten, geht es wieder um schnelle, spontane Revanche und Rache des ausgetricksten Proletariats an den Tricksern, die noch an der Wirtschaftskrise verdienen.

Es gibt auch eine schöne kleine Traktor-Szene auf einem Bauernhof: "Sofort angesprungen", vermerkt Louise, verkörpert von der mächtigen rothaarigen Yolande Moreau, "was für eine Marke, dieser Ferguson." Louise schätzt Wertarbeit, sie hat sich mit Michel zusammengetan, der sich ihr als effizienter Profikiller verkauft hat und nun den Ex-Boss erschießen soll. Man kann nicht sagen, wer bei dieser absurden Unternehmung Sancho und wer Pansa verkörpert, Quichotte ist jedenfalls keiner. Aber natürlich merkt Louise doch irgendwann, dass Michel - verkörpert von Bouli Lanners, der voriges Jahr durch seine Komödie "Eldorado" bekannt wurde - nicht der Profi ist, als der er sich geriert.

Der Film macht sich, ohne Rücksicht auf Korrektheit, lustig über die Schrecken der Gesellschaft, über soziale und menschliche Demontage, Einsamkeit, Krankheit und Tod. Von der sozialen Gerechtigkeit, mit der alles beginnt, geht es schnell weiter zur Frage nach dem individuellen Glück und der Anarchie als Selbstverwirklichung.

"Energie, aus Verzweiflung geboren, wird niemals besiegt", schrieb Louise Michel, der der Film gewidmet ist, die Anarchistin des 19.Jahrhunderts, die bei der Pariser Kommune mitkämpfte. Anarchist ist auch Michel, wenn er sich am Ende, nach erledigter Killerarbeit, als dynamischer Steptänzer beweist.

LOUISE-MICHEL, F 2009 - Regie, Buch: Gustave de Kervern, Benoît Delépine. Bildregie: Hugues Poulain. Mit: Yolande Moreau, Bouli Lanners, Benoît Poelvoorde, Mathieu Kassovitz. Kool Filmverleih, 94 Minuten.

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