Kino:Liebe auf den ersten Beat

Der Münchner Regisseur Aron Lehmann über seine zeitgemäße Cyrano-de-Bergerac-Verfilmung "Das schönste Mädchen der Welt"

Interview Von Barbara Hordych

Keine Liebesschwüre unter dem Balkon, dafür Battle-Raps in Berlin: Der Münchner Regisseur Aron Lehmann hat in seiner hinreissend-herzzerreissenden Komödie "Das schönste Mädchen der Welt", die auf dem Filmfest im Juni Premiere hatte und an diesem Donnerstag in den Kinos startet, einmal mehr Edmond Rostands "Cyrano de Bergerac" adaptiert: Darin verliebt sich der 17-jährige Cyril, wegen seiner hervorstechenden Nase ein verspotteter Außenseiter, auf einer Oberstufenfahrt in die "Neue": Roxy ist schlagfertig und geistreich wie er - "nur in schön". Also schickt Cyril den hübschen, aber einfältigen Rick als "Avatar" ins Feld, um mit soufflierten Rhymes Roxys Herz zu gewinnen.

SZ: Statt mit Degen und gereimten Versen besticht Ihr Cyrano mit Hip-Hop-Beats und harten Punchlines. Wie kam es dazu?

Aron Lehmann: Ich habe mir gesagt: Wenn der Cyrano-Stoff in die Moderne übersetzt werden soll, dann muss das wirklich modern werden. Cyrano ist ein Wortakrobat, seine Waffe sind die Worte, was würde er heute machen? Ganz klar, er würde in Hip-Hop- und Rap-Battles brillieren. Als "Maskenmann" ist er ein wortmächtiger Star der Battle-Rap-Szene. Ich wollte zeigen, dass unser Cyrano trotz seines Außenseiterstatus' etwas drauf hat, dass er selbstbewusst ist und etwas kann. Lars Kraume hatte eine tolle erste Drehbuchvorlage geschaffen, Judy Horney später die Dialoge poliert. Bei unserer gemeinsamen Arbeit an der Story habe ich mir einen großen Wunsch erfüllen können.

Worin bestand der konkret?

Ich liebe Edmond Rostands Cyrano-Text, aber das Einzige, was mir nie gefallen hat, was ich schon immer schwach fand, war die Figur der braven und gutgläubigen Roxane, der Kusine Cyranos, in die der begnadete Dichter heimlich verliebt ist.

Was haben Sie dagegen unternommen?

Für mich stand von Anfang an fest, dass meine Roxy ganz anders werden sollte, selbstbewusst, eigenständig und aktiv. Luna Wedler ist da die Idealbesetzung, in meinen Augen ist sie eines der weiblichen Nachwuchstalente dieses Jahrzehnts, vergleichbar mit Kristen Stewart oder der jungen Claire Danes. Ich hoffe, das steigt ihr nicht zu Kopf, wenn ich das sage. Sie war schon in "Blue my mind" überragend.

Das schönste Mädchen

Hübsch sind sie, aber nicht "Das schönste Mädchen der Welt": Julia Beautx (links) und Sinje Irslinger beim Selfie mit dem Regisseur Aron Lehmann.

(Foto: Nadja Klier/Tobis)

Nun ist nichts peinlicher, als wenn Erwachsene sich in einer Jugendszene tummeln, in der sie sich nicht richtig auskennen. Auch wenn Sie selbst ein junger Regisseur sind mit 36 Jahren, sind Sie doch knapp 20 Jahre älter als Ihre Protagonisten. Wie sind Sie vorgegangen?

Damit das Ganze authentisch ist, haben wir für die Rhymes echte Rapper und Musik-Produzenten aus dem direkten Umfeld von Leuten wie Sido und Bushido geholt: Robin Haefs (Texte) und Konstantin Scherer (Beats), die beide keine leichte Aufgabe hatten, denn sie mussten ja für Gewinner und Verlierer texten bei den Battleraps, also bessere und schlechtere Punchlines schreiben. Der Moderator "Big Chief" ist ein Star in der Berliner Battle-Rap-Szene, der spielt sich selbst.

Welchen Bezug hatten die beiden Hauptdarsteller Aaron und Luna zur Rap-Szene? Ihr Battlerap am Schluss, der zu einem öffentlichen Liebesbekenntnis wird, wirkt sehr spontan und gekonnt.

Aaron Hilmer hatte einen Bezug zur Rap-Szene, sein Bruder ist Rapper. Er hat schon sehr viel mitgebracht. Für Luna war das ziemliches Neuland. Beide arbeiteten mehrere Wochen mit Robin Haefs, der auch unser Rap-Coach war, um die Rap-Szenen authentisch rüberzubringen. Beide waren total ehrgeizig. Es ist aber auch toll von der Produktionsfirma Tobis gewesen, dass sie an diesen Szenen nicht gespart haben. Normalerweise muss man um jeden Tag Probe unheimlich kämpfen, da wird gerne gestrichen, um Geld zu sparen. Aber sie haben Luna und Aaron die Zeit eingeräumt. Das Ergebnis spricht für sich, finde ich. Sie haben das großartig hinbekommen.

Mit welchen Herausforderungen hatten die anderen Darsteller zu kämpfen?

Damian Hardung als Rick stand mit seiner Rolle eines geistig nicht sehr hellen Hübschlings vor einer großen Herausforderung, die er mit Bravour gemeistert hat. Er verkörpert diesen "Mister Valium" mit aller Konsequenz ohne seine Figur jemals zu verraten. Damian schafft es, seinen Rick trotz dessen begrenzter Auffassungsgabe immer auch sympathisch und liebenswert darzustellen. Für mich ist das ganz große Komödienkunst.

Wie passten die drei mit den Youtubern Jonas Ems und Julia Beautx zusammen?

Jonas und Julia haben sich in das Ensemble sehr gut eingefügt, obwohl sie als Youtuber sehr bekannt sind. Klar gab es Leute, die uns vorwarfen, die beiden hätten wir nur aus Marketing-Gründen für den Film geholt, statt richtiger Schauspieler. Aber ich frage Sie: Was heißt schon "richtige Schauspieler" bei 17- und 18-Jährigen? Da kann ich nicht nach Profis Ausschau halten, sondern nach Talenten, die keine Scheu vor der Kamera haben und Lust haben, sich darzustellen. Da nicht auch Youtuber zu den Castings einzuladen, wäre ja geradezu fahrlässig. Und die beiden haben sich ihre Rollen redlich verdient.

Jonas Ems als Benno, der Roxy rumkriegen und dabei auch noch filmen will, spielt ja keinen Sympathieträger ...

Richtig. Genau das war seine Herausforderung: Er spielt den Klassen-Fiesling und Aufreißer, dabei ist Jonas im wirklichen Leben ein wahnsinnig höflicher junger Mann. Dazu hat seine Figur am Ende diesen Zusammenbruch vor der ganzen Klasse, das muss man auch erst einmal zulassen können. Das kostet Mut, und er hat das richtig gut gemacht.

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