Kino:Kunst der Offenheit

Peter Schamoni und Ulrich Schamoni

Papas Kino hat ausgedient, es lebe der Junge Deutsche Film - fanden die Brüder Peter (links) und Ulrich Schamoni (vorne), hier zu sehen 1966.

(Foto: Schamoni Film)

Viel zu schade fürs Archiv: Die Schamoni Film & Medien GmbH kümmert sich um den Nachlass der Brüder Peter und Ulrich Schamoni - am Donnerstag mit einer Late Night Film Lecture im City-Kino

Von Jürgen Moises

Die Tür steht immer offen. Konrad Hirsch, seit 2011 Geschäftsführer und Gesellschafter der Schamoni Film & Medien GmbH, meint damit die Tür zum Archiv der Brüder Schamoni, das sich im ehemaligen Wohnhaus von Peter Schamoni in der Mauerkircherstraße 184 befindet. Denn wer immer daran Interesse hat, sich mit dem filmischen Nachlass von Peter und Ulrich Schamoni zu beschäftigen, der ist laut Hirsch herzlich dazu eingeladen, an Ort und Stelle die Filme der beiden zu sichten, die zugehörigen Drehbücher oder Produktionsskizzen. Die Tür steht immer offen. Wenn Konrad Hirsch, der an diesem Donnerstagabend mit Ulrich Mannes im City-Kino in Form einer "Late Night Film Lecture" Kurzfilme des 1998 gestorbenen Ulrich Schamoni präsentiert, das so sagt, dann hat man das Gefühl, dass in dem Satz auch noch ein bisschen mehr steckt.

Die legendären Partys der Schamoni-Brüder (zu denen noch der Redakteur Thomas und der Kameramann Victor gehörten) im alten West-Berlin wurden zum Gegenstand von Wochenschauen. Dann gibt es Aufnahmen vom Besuch des Komikers Mel Brooks bei den Schamonis, die man in Ulrike Schamonis Porträtfilm "Abschied von den Fröschen" sieht. Oder Ulrich Schamonis 1974 in der eigenen Villa gedrehter Spielfilm "Chapeau Claque", der mit der "fröhlichen Beichte des Faulenzers" Hanno Giessen auch Schamonis eigenes Leben ausstellt. All das fällt einem beim Satz "die Tür steht immer offen" ein, der vielleicht tatsächlich so eine Art Lebens- und Kunstphilosophie von Ulrich und Peter Schamoni widerspiegelt. Denn auch ihre Filme, mit denen sie zusammen mit anderen jungen deutschen Filmemachern wie Alexander Kluge oder Vlado Kristl "Papas Kino" hinweg fegten, waren nach allen Seiten immer offen. Hohe Kunst wie die von Rilke oder Caspar David Friedrich hatte dort genauso Eingang wie Boulevard und Trash, das Ernste, Dokumentarische genauso wie das Leichtfüßige, Komische.

Die Langfilme "Chapeau Claque" und "Eins" von Ulrich Schamoni, die in ihrer verspielten, experimentellen Art den Geist der Nouvelle Vague atmen, sind dafür ein gutes Beispiel. Genauso die im City-Kino präsentierten Kurzfilme, wie etwa "Hollywood in Deliblatska Pescara" von 1965, der die Dreharbeiten zum Historienfilm "Dschingis Khan" mit Omar Sharif dokumentiert. Das heißt eigentlich sieht man darin fast nur Statisten beim Warten oder Schwertkampfüben oder namenlose Helfer beim Herumtragen von Stoffpferden. Oder "Lockenköpfchen - Die Chronik des Wilfried S." von 1967: ein fiktiver Interview-Film und eine gewitzte Auseinandersetzung mit dem Medium Dokumentarfilm. Oder die Direct-Cinema-Parodie "Für meine Kinder - Von Vati" von 1969, die ganz ähnlich funktioniert. Und "Mein Bruder Willi" von 1972: ein Kurzfilm über den Künstler Willi Mühlenhaupt, aus der Sicht seines Bruders Kurt.

All diese Kurzfilme sorgten genauso wie die von Peter Schamoni, von denen Hirsch mit "Osterspaziergang" und "Bogeda Bohemia" ebenfalls zwei zeigen will, damals für Aufsehen und Filmpreise, sind aber heute kaum noch zu sehen. Denn im Kino wie im Fernsehen gibt es nur wenige Programmplätze für Kurzfilme. Außerdem zeigen laut Hirsch, der bis zu dessen Tod 2011 Peter Schamonis Assistent war, die öffentlich-rechtlichen Sender kein Interesse am Filmerbe. Zudem gibt es in Deutschland keinerlei Fördermittel für die Restaurierung und Digitalisierung alter Kurzfilme. Stattdessen werde das Geld in mittelmäßige Neuproduktionen gesteckt. Dafür, dass das Filmerbe der Schamonis trotzdem sichtbar bleibt, setzt sich Hirsch zusammen mit den weiteren Gesellschaftern der GmbH ein, den Schamoni-Kindern Sebastian Schnitzenbaumer, Ulrike und Bungo Schamoni. Sie tun das, indem sie Filme wie "Schonzeit der Füchse" von Peter Schamoni oder, aktuell geplant, "Eins" von Ulrich Schamoni digitalisieren und auf DVD herausbringen; indem sie aus Archivmaterial Musik-Videos für Bands wie Pollyester basteln. Oder eben Film Lectures halten. Um in Archivregalen zu verstauben, sind die Schamoni-Filme jedenfalls zu schade.

Late Night Film Lecture: Ulrich Schamoni, Do., 23. Juli, 22.30 Uhr, City-Kino, Sonnenstr. 12

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