Kino-Krise:3D schnürt kleinen Filmtheatern die Luft ab

Aufatmen in der deutschen Filmwirtschaft: Produktionen wie "Kokowääh" lockten im Jahr 2011 wieder mehr Besucher in die heimischen Kinos. Dennoch machen immer mehr Filmtheater ihre Schotten dicht. Die wachsende Konkurrenz und der kostspielige 3D-Boom zwingen vor allem kleine Kinos finanziell in die Knie.

Kristina Läsker

Wer dieser Tage in Dortmund oder Osnabrück ins Kino gehen will, muss so manches Mal vor verschlossener Tür wieder umkehren. Seit etwa zwei Monaten bestreiken Mitarbeiter der Cinestar-Gruppe die dortigen Multiplex-Häuser. Weil sie endlich mehr Lohn haben wollen. Zwischen 6,30 und 6,80 Euro zahlt Deutschlands größte Kinokette ihren Servicekräften pro Stunde. "Das reicht nicht zum Leben", kritisiert Frank Schreckenberg von der Gewerkschaft Verdi. Doch Cinestar will weder die Bezüge erhöhen, noch - wie die Konkurrenzketten Cinemaxx und UCI - einem Tarifvertrag zustimmen. Erste Verhandlungen sind gescheitert, inzwischen setzt der Konzern Streikbrecher ein.

Neues Klangsystem in der Bavaria Filmstadt, 2006

Kinos ohne 3D-Technik gucken bald in die Röhre.

(Foto: Stephan Rumpf)

Ein zarter Aufschwung in der Branche könnte die meuternden Mitarbeiter nun unterstützen. Zum Auftakt der 62. Internationalen Filmfestspiele in Berlin - sie startet an diesem Donnerstag - veröffentlichte die Filmförderanstalt (FFA) neue Zahlen zur deutschen Kinobranche. Und die sind ganz passabel.

Vor allem erfolgreiche deutsche Filme haben der Kinowirtschaft 2011 mehr Gäste und mehr Erlöse beschert. Erfolge, an denen Mitarbeiter teilhaben sollten, meint Verdi-Vertreter Schreckenberg. "Umsätze und Besucherzahlen steigen, das muss sich in höheren Löhnen auszahlen."

So kletterte die Zahl der Kinobesucher im vergangenen Jahr um 2,3 Prozent auf 129,6 Millionen Euro. "Dies ist unter dem Strich ein freundliches, aber noch kein gutes Jahr", sagte FFA-Vorstand Peter Dinges. Dass die Freude verhalten ist, hat gute Gründe: So hat die Branche bloß Boden gut gemacht, aber nicht an frühere Erfolge angeknüpft. So war 2010 ein lauwarmes Kinojahr - und damit ein schlechtes für Vergleiche.

Besucher und Umsätze eines ganzen Monats brachen damals wegen der Fußball-Weltmeisterschaft ein. Wer die jüngsten Zahlen von 2011 mit denen aus 2009 vergleicht, erhält ein schärferes Bild, und das ist weniger schön: 2009 waren es 146,3 Millionen Besucher - weit mehr als 2011. Denselben Trend zeigen die Umsätze. Etwa 958 Millionen Euro haben die Kinobetreiber 2011 eingenommen. Mit 976 Millionen Euro waren es 2009 deutlich mehr.

Für mehr Freude sorgten die deutschen Filme: Sie erreichten im vergangenen Jahr einen Marktanteil von 21,8 Prozent (2010: 16,8 Prozent). Unter den Filmen, die mehr als eine Million Menschen ins Kino lockten, waren acht deutsche Produktionen.

Deutsche Filme ganz oben in den Charts

Am besten lief Til Schweigers Komödie Kokowääh, die insgesamt auf Platz 3 der deutschen Jahrescharts landete. Hinter dem Spitzenreiter - dem letzten Teil von Harry-Potter - und dem Kassenschlager Pirates of the Caribbean 4. Besonders gut liefen auch der Streifen What a Man mit Matthias Schweighöfer und der Überraschungserfolg Almanya - Willkommen in Deutschland.

Immer häufiger müssen sich die Deutschen Spezialbrillen aufsetzen, um einen Film zu genießen: Mehr als 29 Millionen Menschen schauten sich in den vergangenen zwölf Monaten einen 3D-Film an. Der Trend zur dritten Dimension untermauerte das Umsatzplus der Branche: Die Betreiber können für 3D-Filme weit höhere Ticketpreise verlangen.

Deutschland sei einer der Vorreiter bei 3D, heißt es bei der Filmförderanstalt. Insgesamt liefen zuletzt 46 Produktionen in 3D in den Lichtspielhäusern an, darunter sieben deutsche Filme. Zu den erfolgreichsten hiesigen 3D-Streifen gehören Wickie auf großer Fahrt und Die drei Musketiere.

Hauptprofiteur des neuen Trends bleibe aber der US-Film, so FFA-Vorstand Dinges. Deutschland müsse sich anstrengen, "um das Spielfeld nicht anderen Ländern zu überlassen".

So sehr 3D-Filme auch dem Besucherschwund der vergangenen Jahre entgegenwirken, so sehr belasten sie auch die Kinobetreiber finanziell: Pro Saal kostet der Umbau von analog auf digital etwa 70.000 Euro. Manches kleine Kino hat sich das nicht leisten können - und hat den großen Komplexen nun noch weniger entgegen zu setzen.

Die verschärfte Konkurrenz und hohe Mieten haben dazu geführt, dass das Kinosterben anhält. So mussten zuletzt 183 Filmtheater schließen, während zeitgleich nur 124 neu oder wiederöffnet wurden. Insgesamt sank die Zahl der Kinosäle auf 4640 - in den Boomzeiten der Branche vor ein paar Jahren waren es noch knapp 4900 Säle. "Diese problematische Entwicklung ist uns allen bewusst", sagte Dinges.

Betroffen sind laut Filmförderanstalt meist kleine Kinos mit ein oder zwei Leinwänden in Kleinstädten und Dörfern. Doch es trifft auch beliebte Programmkinos in Großstädten, wie das Lichtspielhaus Atlantis in der Münchner Innenstadt. Das auf Originalfassungen spezialisierte Kino wird im März schließen.

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