Kino:Kann denn Kino Sünde sein?

The Day After Tomorrow © 2004 20th Century Fox PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY 30422_012

Zum Ausgleich für den ressourcenintensiven Dreh von "The Day After Tomorrow" kaufte Regisseur Roland Emmerich CO2-Zertifikate - und wurde zum Vorreiter für "Green Shootings".

(Foto: imago/Cinema Publishers Collection)
  • Filmemachen ist Umweltsünde: der Strom- und Plastikverbrauch ist enorm, Euqipment und Crew müssen oft eingeflogen werden.
  • Einige Filmproduktionen versuchen deshalb, mit "Green Shootings" den Schaden an der Umwelt mögichst klein halten.
  • Vorreiter ist der Regisseur Roland Emmerich: Für den Ausgleich seiner Produktion "The Day After Tomorrow" - in dem es selbst um eine Klimakatastrophe geht - kaufte er Zertifikate über neu gepflanzte Bäume.

Von Susan Vahabzadeh

Das Kino ist alles mögliche, unter anderem genau der richtige Zufluchtsort für alle, die die Realität mit Sorge betrachten und sich dringend zwei Stunden lang von ihr erholen müssen. Allerdings denkt kaum jemand darüber nach, was das heißt: Je fabelhafter das Paralleluniversum auf dem Bildschirm oder der Leinwand ist, desto schlechter wirkt es sich auf die Wirklichkeit aus - auf die, die mit dem Müll fertig werden muss und die Energie liefert, um die Traumkulissen zu erschaffen.

Filmemachen ist auf unterschiedliche Arten Umweltsünde: Der Stromverbrauch ist enorm, Kulissen sind oft aus Materialien, die bei der Entsorgung Probleme bereiten. Für Drehs wird geflogen, oft gehen nicht nur Darsteller und Crew auf Reisen, sondern auch Teile des Equipments. Zeichentrickfilme entstehen am Computer, der durchschnittliche Realfilm aus Hollywood oft auch. Nicht nur Fantasy oder Science-Fiction - heutzutage werden auch Gesichter bearbeitet oder relativ normal wirkende Straßenzüge. Viele Hintergründe von Gotham City im Kinofilm "Joker" beispielsweise sind computergeneriert. Ist es für die Umwelt besser, wenn die Häuser nicht gebaut wurden? Nicht unbedingt - die Rechner, die solch perfekte Bilder herstellen, verbrauchen viel Strom.

Seit einigen Jahren schon gibt es sogenannte "klimaneutrale" Drehs: Eine Filmproduktion versucht, einen Ausgleich zu schaffen für den Schaden, den sie angerichtet hat. Roland Emmerich war ein Vorreiter. Als er 2004 seinen Film "The Day After Tomorrow" drehte - da geht es immerhin um die Klimakatastrophe schlechthin - kaufte er zum Ausgleich Zertifikate über neu gepflanzte Bäume. Das würde der Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg (MFG) nicht reichen - dort hat man sich viele Gedanken darüber gemacht, wie "Green Shooting" funktionieren kann und leistet Unterstützung. Der Schaden soll nicht ausgeglichen werden, sondern von vornherein möglichst klein gehalten. "Wir haben am Beispiel einer Tatort-Produktion des SWR, der sich stark für ökologisch nachhaltige Filmherstellung engagiert, untersuchen lassen, wie viel CO₂-Emissionen man beim Drehen einsparen kann. Ergebnis: fast die Hälfte", sagt Carl Bergengruen, der Geschäftsführer der MFG. "Aber das erfordert eine Umstellung des Produktionsprozesses, die alle Bereiche erfasst: Bahnfahren statt Fliegen, möglichst Hotels vermeiden und stattdessen Apartments mieten, LED-Lampen statt herkömmliche Scheinwerfer, Dieselgeneratoren verbannen und ans lokale Stromnetz gehen, Ökostrom nutzen, kein Einweggeschirr, regionales Catering engagieren und so weiter." In Baden-Württemberg müssen die Klimaschutzmaßnahmen jetzt schon im Antrag auf Filmförderung stehen, und es gibt zusätzliches Geld für einen Umweltberater. " Einen normalen Tatort herzustellen verbraucht ca. 140 Tonnen CO₂-Äquivalente", so Bergengruen. "Und wir wissen aus Frankreich, dass der dortige Film- und TV-Sektor insgesamt so viel CO₂ emittiert wie die gesamte Telekommunikationsbranche. In Deutschland fehlen leider entsprechende Studien, aber das Ergebnis dürfte ähnlich sein."

Auch Filmtheater könnten übrigens umweltbewusster arbeiten - weniger Plastikmüll verursachen, beispielsweise. Die Digitalisierung, sagt Bergengruen, hat die Projektoren zu Stromfressern gemacht. Es muss also neue Technik her. Wie sich, umwelttechnisch betrachtet, ein Kinobesuch zum Streaming zu Hause verhält oder ein computergeneriertes Bild zu gebauten Kulissen, hat allerdings bislang niemand untersucht.

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