Kino:Ja und Amen sagen

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Eine Religionslehrerin liebt eine Frau und heiratet sie - was die katholische Kirche nicht duldet. Ihr Schwager, der Münchner Regisseur Michael Schmitt, hat einen Dokumentarfilm über das Dilemma gedreht: In Hof hat "Marikas Missio" Deutschlandpremiere

Von Anna Steinbauer

Traumberuf oder Traumpartner? Die meisten Menschen müssen sich nicht für eines von beiden entscheiden. Marika Gruber schon, obwohl sie beides gefunden hat. Sie ist Lehrerin für katholische Religion und liebt Anke. Die beiden haben im Mai 2015 geheiratet. Nun darf Gruber nicht mehr als Religionslehrerin arbeiten. Lesbisch sein und die Lehrtätigkeit in der katholischen Kirche schließen sich nämlich aus. Nach reiflicher Überlegung hat Gruber ihre kirchliche Lehrbeauftragung, die Missio Canonica, zurückgegeben und sich geoutet. "Ich bereue das in keinster Weise. Ich wollte mir nicht sagen lassen, was ich tun darf und was nicht", sagt die gebürtige Niederbayerin. Der Filmemacher Michael Schmitt hat diesen schwierigen Entscheidungsprozess seiner Schwägerin über die Jahre begleitet und eine feinfühlige Dokumentation über ein sehr privates und gleichzeitig gesellschaftlich höchst brisantes Thema gemacht, die in diesen Tagen bei den Hofer Filmtagen gezeigt wird (noch einmal an diesem Samstag um 20.45 Uhr).

Schmitt, Jahrgang 1983, ist Absolvent der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF). Er bewies bereits 2015 mit dem Film "Mollath - Und plötzlich bist du verrückt", den er mit zwei Kommilitoninnen produzierte, sein Feingefühl für schwierige Themen. Obwohl er wusste, dass es klassischen Dokumentarfilmstoff in seiner Familie gab, hatte Schmitt zunächst nicht vor, das Dilemma seiner Schwägerin zu verfilmen. Grubers Missio-Verleihung 2010 war schließlich doch der Auslöser für ihn, das Projekt zu realisieren. "Ich habe erst da verstanden, was es bedeutet, dass Marika in der Arbeit nie von Anke erzählen kann und wie verdächtig es ist, wenn man nie Privates erzählt." Für Schmitt, der beim Dreh mehrere Rollen als Bruder, Schwager, Sohn und Filmemacher ausfüllen musste, war "Marikas Missio" der psychisch anstrengendste Film, den er bisher gemacht habe, wie er sagt. Viele Szenen konnte er aus unterschiedlichen Gründen nicht filmen wie beispielsweise Marika vor der Klasse oder das Outing vor den Kollegen. Seine Eltern musste Schmitt erst dazu überreden, vor die Kamera zu treten. Vielleicht ist das die Besonderheit des Films, er ist unfassbar nah dran, gleichzeitig spürt man eine Art von Zurückhaltung.

Mag schwierige Themen: Filmemacher Michael Schmitt. (Foto: oh)

Mit der Unterschrift, die die angehende Lehrerin unter die Missio setzte, versprach sie, ihr Leben nach der Sittenlehre der katholischen Kirche auszurichten. Einem Kosmos, in dem die Ausübung von Homosexualität verboten ist, eine eingetragene Lebenspartnerschaft erst recht. "Natürlich war mir zu diesem Zeitpunkt klar, dass ich eigentlich nicht lesbisch leben darf", erzählt die Lehrerin. Das wusste sie bereits, als sie mit 19 Jahren anfing zu studieren. "Doch damals hatte ich noch keine Ahnung, wohin mein Leben führt und außerdem noch Hoffnung, dass sich in der Kirche vielleicht etwas ändert." Für Gruber ging es nie darum, ihre Liebesgeschichte zu verfilmen, sondern davon zu erzählen, dass sie ihren Beruf verliert, weil sie eine Frau liebt und sich öffentlich zu ihr bekennt: "Ich wollte, dass das nicht so stehen bleibt", so Gruber. "Wie mir ging es schon vielen und wird es auch nach mir noch gehen." Deshalb ist es ihr so wichtig, von der Rückschrittlichkeit der katholischen Kirche zu berichten, an der sie ansonsten viele Dinge schätzt.

Marika Gruber versteht sich als gläubige Christin. Die Abgabe ihrer Missio hat ihr Verhältnis zur Kirche nicht verändert: "Die Kirche bietet grundsätzlich ein gutes Fundament für das Leben, nur müsste sie sich in vielen Bereichen mal wieder etwas reformieren", sagt die charismatische Hauptdarstellerin. Der Termin beim Standesamt war dann doch eine "Hauruckentscheidung", wie Gruber erzählt. Kurz vorher sprach sie bei ihrem Direktor vor und outete sich mit 35 Jahren noch einmal vor der kompletten Religionsfachschaft. Daraufhin fiel ein jahrelanger diffuser Druck von ihr ab. Heute unterrichtet sie immer noch an derselben Schule in Neumarkt, statt katholische Religion aber nun das Fach Geschichte - das Staatsexamen hat sie nachgeholt. Derzeit ist Gruber gerade in Elternzeit, sie und ihre Frau haben einen einjährigen Sohn.

© SZ vom 28.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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