Kino: Iron Man 2:Eiserne Hülle, schwacher Geist

Der zweite Iron Man mit Scarlett Johansson, Gwyneth Paltrow und Robert Downey Jr. ist ein Superheldenfilm nach dem Ende des Heldentums.

S. Vahabzadeh

Superhelden sind immer Geschöpfe ihrer Zeit, und wenn sie erfolgreich sein wollen im Kino, müssen sie den wechselnden Anforderungen genügen. Die Superhelden der Comics, in den Dreißigern erdacht, waren Hoffnungsträger der Nachkriegsgesellschaft, unverwüstlich in einer Welt der Versehrten; es gab später dann den kinderzimmertauglichen Sechziger-Jahre-TV-Batman, und den sorglosen, aalglatten "Superman" der Siebziger.

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Der Superheld braucht Hilfe, und zwar von der geheimnisvollen Agentin Natalie (Scarlett Johansson), die ihm zumindest ohne Rüstung körperlich weit überlegen ist.

(Foto: Foto: ap)

Batman wurde düster, ein altruistischer Held gefangen in einer eiskalten Stadt, in Tim Burtons Filmen aus den Achtzigern; es gab zuletzt dann noch einen gefühlsduseligen Spider Man und eine Superman-Reanimation mit religiösen Anwandlungen. Je mehr sich die computergenerierten Hauptquartiere und die nachbearbeiteten Actionszenen gleichen, desto wichtiger wird der Held selbst, was er ist und wofür er steht. "Iron Man", den Robert Downey Jr.. vor zwei Jahren das erste Mal für Jon Favreau spielte, ist absolut zeitgemäß: Der Superhelden-Film der Gegenwart hat jeden Glauben an die Möglichkeit des Heldentums verloren.

Iron Man ist ja schon von Haus aus ein ein seltsamer Held, denn er kann gar nichts Besonderes - keine Superkräfte, kein Röntgenblick, alles ist nur Technik und Spiel und Augenwischerei.

"Iron Man 2" beginnt sechs Monate nach dem Ende des ersten Teils, die Welt weiß jetzt, wer sich unter der Rüstung verbirgt - und Tony Stark, der mit Hilfe seiner eisernen Robocop-Ausrüstung das Böse der Welt in Schach hält, wird nun gefeiert wie ein Popstar, oder doch mindestens wie Barack Obama.

Lesen Sie weiter auf Seite 2, warum man Iron Man ohne Not nicht die Weltherrschaft anvertrauen würde.

Einsamer Kampf gegen den Körper

Wir haben vorher schon gesehen, dass das seine Widersacher im fernen Moskau den Gegenschlag ausarbeiten, aber davon weiß Tony Stark noch nichts. Er hat sein Entree in den Film, indem er sich auf der Bühne seiner Ausstellung in Flushing Meadows produziert - ein eitler Fatzke, der herumhampelt wie ein angetrunkener Showstar, eine arrogante, lächerliche Figur. Keinesfalls der Mann, dem man ohne Not die Weltherrschaft anvertrauen würde.

Zauberhaft tollpatschige Gestalten

Das sind die Grundzüge des Plots: Iron Man Tony Stark will den Weltfrieden sichern mit seinem Eisenanzug, aber ein rachsüchtiger Russe, ein tumber Waffenhändler und ein wichtigtuerischer Politiker - aus den beiden letzteren machen Sam Rockwell und der Komiker Garry Shandling zwei zauberhaft tollpatschige Gestalten - wollen ihm den Bauplan für den Anzug, aus unterschiedlichen Motiven, gern abjagen.

Allein wäre Tony Stark jetzt geliefert. Der Superheld braucht Hilfe, von zwei Frauen, von seiner Liebsten und Assistentin Pepper Potts (Gwyneth Paltrow) und von der geheimnisvollen Agentin Natalie (Scarlett Johansson), die ihm zumindest ohne Rüstung körperlich weit überlegen ist.

"Iron Man 2" würde nicht funktionieren ohne den Charme von Robert Downey Jr. Gerade die Figuren liegen ihm, die vom Leben überfordert sind und trotzdem weitermachen - auch Tony Stark muss man nach einer Weile lieben, wenn er allein ist in seinem Laboratorium und heimlich seinen berstenden Brustkorb betrachtet, ganz cool, ohne mit seinem Schicksal zu hadern. Aber ansonsten macht er gerade alles falsch - er kümmert sich nicht um seine Firma, überlässt die Leitung Pepper, mehr aus Faulheit und Desinteresse als aus Vertrauen. Und dann taucht der böse Russe auf und treibt ihm brutal die Flausen aus.

Prollige Nummer

Das Spektrum der Rollen, für die Mickey Rourke in seinem Zustand noch in Frage kommt, ist begrenzt; der böse Russe - Ivan heißt er originellerweise - ist jedenfalls eine Rourke-Paraderolle. Er hat den Iron-Man-Anzug in Teilen nachgebaut und rückt Tony Stark nun mit Strompeitschen zu Leibe - er macht aus dem Superheldenkampf eine richtig prollige Wrestling-Nummer, und das alles auch noch auf den Straßen von Monte Carlo.

Tony Stark ist nicht stark, er reißt sich nur mit letzter Kraft zusammen. Er ist tatsächlich nur ein Mensch, ein ganz zerbrechlicher, den die Kostümierung, ganz irdische Technik, quasi zusammenhält, andererseits aber auch langsam zerstört.

Und die schwache Hülle birgt einen schwachen Geist. Tony, das vernachlässigte Kind eines übergroßen Vaters, kann mit Pepper Potts nicht über seine Qualen reden, nicht über die physischen und nicht über das Versagen als Iron Man. Natürlich hat auch Batman, der andere Superheld, der sich auf die Technik verlassen muss, Psycho-Probleme - aber wenn die in seinen Filmen ausgewalzt wurden, nahm ihnen das den Schwung; Favreau verhandelt Tony Starks Neurosen genau im richtigen Tonfall und Rhythmus, lakonisch und mit sanfter Ironie. Batman ist nobel, Iron Man nicht - Starks Schwächen sind der Motor dieser Geschichte:

In grandioser Selbstüberschätzung hat er sich geweigert, den Bauplan für seinen Eisenanzug mit der amerikanischen Regierung zu teilen, hat die Senatoren im Ausschuss vor laufenden Kameras zum Gespött gemacht, weil er tatsächlich glaubt, im Alleingang den Weltfrieden sichern zu können.

Boshaftes Pieksen

"Iron Man 2" ist immer dann wirklich mitreißend, mal komisch und mal rührend, wenn sich Favreau voll und ganz auf seine Figuren konzentriert, auf kleine Details. Auf Shandling zum Beispiel, wie er Tony Stark boshaft beim Anheften einer Medaille piekst; oder auf das Erdbeerproblem im Hause Stark/Potts, bei dem Tony den Unterschied zwischen Abneigung und Allergie immer wieder vergisst.

Aber die zeitgemäße Form verlangt von den Superhelden Action, den großen Showdown, Kampfszenen. Weil die Computer das auch liefern, gibt es ein Überangebot davon - aber das hat den Einfallsreichtum nicht gesteigert, man hat eher den Eindruck, dass die Filmemacher - Tim Burton in "Alice in Wonderland", jetzt Favreau - das absolvieren wie eine lästige Pflicht.

Roboterkämpfe, unverwundbare Helden gegen unbelebte Objekte - das war noch nie spannend, weil es ja um nichts geht. Interessanter ist da schon der amerikanische Existenzialismus des Films - der einsame Held, im Kampf gegen seinen Körper und seine Kindheitserinnerungen. Aber Fortschritt ohne Ziel und leere Technisierung, das sind vielleicht auch Phänomene unserer Zeit.

IRON MAN 2, USA 2010 - Regie: Jon Favreau. Drehbuch: Justin Theroux. Kamera: Matthew Libatique. Mit: Robert Downey Jr., Gwyneth Paltrow, Scarlett Johansson, Mickey Rourke, Jon Favreau, Don Cheadle, Sam Rockwell, Garry Shandling, Samuel L. Jackson. Concorde, 124 Minuten.

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