Kino:Imagebildung

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"Tomorrow" von Cyril Dion und Mélanie Laurent ist eine dokumentarische Filmreise, die nach Ideen gegen Umweltzerstörung und Klimakatastrophe sucht. Der Film verbreitet Hoffnung und will zum Handeln aufrufen.

Von Martina Knoben

Bitte mal kurz die Augen schließen und sich Folgendes vorstellen: einen Radweg, breit wie eine Straße, mit einer Spur für langsame Fahrer und einer Überholspur für flotte, der klar abgegrenzt ist von Fußgängerwegen oder Einfahrten, weshalb alle entspannt und sicher durch die Stadt rollern. Ein Traum! Genauso wie Banknoten, auf die ein David-Bowie-Porträt gedruckt ist, oder eine Schule, die so einladend aussieht, mit einer so freundlichen Architektur und ebenso freundlichen Lehrern, dass Kinder gern dort hingehen und wirklich aufs Leben vorbereit werden.

Diese Dokumentation hat die Apokalypse vor Augen, verbreitet aber Aufbruchstimmung

Dokumentarfilme auf der Suche nach einer besseren Wirklichkeit - das Genre hat Konjunktur. Meist werden uns dabei aber hammerharte Bilder aus Schlachthöfen, von Hungersnöten und Artensterben präsentiert. Cyril Dion und Mélanie Laurent versuchen es jetzt mal anders: Sie malen keine Horrorszenarien aus, sondern feiern Projekte und Lösungen. Anstoß für ihren Film war eine Studie, veröffentlicht in der Zeitschrift Nature, die aufgrund des Klimawandels den wahrscheinlichen Zusammenbruch unserer Zivilisation in den nächsten vierzig Jahren voraussagt. Eine Bedrohung, die mit jedem "Jahrhundertsommer" und jeder Flutkatastrophe realistischer erscheint. Die Apokalypse vor Augen, ist "Tomorrow" dann aber doch ein ziemlicher Wohlfühlfilm geworden, der erfolgreich Aufbruchstimmung verbreitet.

Das liegt auch an Co-Regisseurin Mélanie Laurent, die als Schauspielerin unter anderem aus "Inglourious Basterds" und "Beginners" bekannt ist und als prominentes, hübsches Gesicht diese Weltreise in eine positive Zukunft anzettelt. Dass bei den dazu nötigen Flugreisen jede Menge Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre geblasen wird - (fast) geschenkt, geht es doch um eine gute Sache. Flott geschnitten, unterlegt mit flotter Musik, reisen Laurent und Dion zu den Stadtgärten in Detroit, Michigan, nach Kopenhagen mit seinen tollen Radwegen oder nach San Francisco, wo ein Müllwerker ganz begeistert von seinen Wertstoffen und der Zero-Waste-Politik der Stadt erzählt.

Manches ist bekannt, auch aus anderen Dokumentarfilmen, anderes dagegen durchaus neu und inspirierend. Auch die Verknüpfung so unterschiedlicher Themen wie Landwirtschaft, Energieversorgung, Wirtschaft, Bildung und Demokratie erscheint am Ende sinnvoll, wobei die Themenbreite fast zwangsläufig auf Kosten der Tiefe geht. "Tomorrow" wirkt zwischendurch etwas naiv. Zwischen den Zeilen ist deutlich die Sehnsucht der Regisseure nach überschaubaren Gemeinschaften und lokalen (und ebenfalls überschaubaren) Lösungen zu erkennen. Das sieht man auch an den Bildern: Die Aufnahmen von lachenden Kindern im Gegenlicht beim Ernten in Stadtgärten könnten auch aus einem Werbespot stammen.

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Aber schließlich geht es in "Tomorrow" auch um Imagebildung. Dass es grundsätzlich richtig und wichtig ist, Müll zu trennen und Energie zu sparen, dürfte mittlerweile bekannt sein - nur gilt es leider als ungeliebte Pflicht. In diesem Film dagegen schaffen es die Regisseure, Nachhaltigkeit ziemlich jung und hip aussehen zu lassen. Dafür gab es in Frankreich in diesem Jahr einen "César" für den besten Dokumentarfilm, dort haben außerdem schon fast eine Million Zuschauer den Film gesehen. Wer weiß, vielleicht wird Grün tatsächlich einmal das neue Schwarz.

Demain , F 2015 - Regie: Cyril Dion, Mélanie Laurent. Buch: C. Dion. Kamera: Alexandre Léglise. Schnitt: Sandie Bompar. Musik: Frederik Stahl. Verleih: Pandora, 118 Minuten.

© SZ vom 07.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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