Kino: Herrenkinder:Gelobt sei, was hart macht?

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Gespenstisch zu sehen, wie das Erbe des Dritten Reichs immer noch herumspukt im Leben der Menschen, die der Film "Herrenkinder" zeigt.

Martina Knoben

Der Literaturkritiker Hellmuth Karasek war Napola-Schüler, ebenso Harald Ofner, der frühere Justizminister Österreichs, der Dirigent Joachim Carlos Martini oder Theo Sommer, ehemaliger Herausgeber der Zeit. Ob die Auswahlkriterien der Nazis für ihre Elite wirklich so schlecht waren, fragt Sommer im Film; und sein Erfolg und der seiner prominenten Mitschüler scheinen der Auswahl, vielleicht ja sogar der Erziehung recht zu geben. Gelobt sei, was hart macht?

Die Schüler durften sich als Herrenmenschen fühlen, um den Preis, als Individuum ungeschützt und bedeutungslos zu sein. (Foto: Foto: Filmstarts)

Es ist gespenstisch zu sehen, wie das Erbe des Dritten Reichs immer noch herumspukt im Leben der Menschen, mit denen Eduard Erne und Christian Schneider über ihre eigene oder die Napola-Vergangenheit ihrer Eltern und Großeltern gesprochen haben. Eine Frau erzählt vom Doppelselbstmord ihrer Eltern vor mehr als 20 Jahren - sie wollten nicht alt und gebrechlich werden. Die Selbsttötung hatte der Vater mit einer logistischen Perfektion eingefädelt, die an KZs erinnert. Heute sieht sich seine Tochter Fotos an - der Vater als Nazi-Vorzeigeschüler. Ihre Mutter war Halbjüdin. Wie passen diese Biographien und der Doppelselbstmord zusammen?

Ein Blick in die Black Box BRD ist dieser Film - autoritäre Strukturen sind zu erkennen, die auf schwer durchschaubare Weise an die nächste Generation weitergegeben werden. Dies in Interviews herauszuarbeiten, ist die große Leistung von "Herrenkinder", der ansonsten recht konventionell geraten ist. Die prominenten "Ehemaligen" weben einen Teppich aus Erinnerungen, Karasek etwa fällt ein Spiel "Juden köpfen" ein (zwei Jungen mit je einem Blütenstengel versuchen, den Blütenkopf des anderen wegzuschlagen). Seine Dackelfassade wird plötzlich ganz brüchig. Die Schüler durften sich als Herrenmenschen fühlen, um den Preis, als Individuum ungeschützt und bedeutungslos zu sein.

Das Ganze wird aufgemotzt mit Archivaufnahmen, die auf die kahlen Wände ehemaliger Napola-Schulgebäude projiziert werden: Nazi-Aufmärsche, Hitlerreden oder Geländespiele der Jungen. Dabei müsste der Ungeist, der immer noch in Deutschland herumwabert - wenn auch stärker verdünnt, als die Autoren postulieren -, nicht auf diese plumpe Art sichtbar gemacht werden. Der andere Vater dieses Films ist, 80-jährig, Patriarch geblieben; seine Tochter hat sich ein Leben lang an ihm abgearbeitet, weil er so unnahbar war. Sie weiß aber nur zu gut, wie sehr sie selbst seine Napola-Leitsätze verinnerlicht hat: "Gelobt sei, was hart macht" oder "Mehr sein als scheinen". Und der "stürmerische Geist" des Vaters erfüllt sie immer noch mit Stolz.

HERRENKINDER, D 2009 - Regie, Buch: Eduard Erne, Christian Schneider. Kamera: Harald Schmuck. Musik: Peter Kaizar. Salzgeber, 95 Minuten.

© SZ vom 03.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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