Kino: "Harry Potter und der Orden des Phoenix":Aber sowas von gestern!

Kino-Runde fünf für den Zauberlehrling: Harry Potter wird in einer narrativen Zwickmühle zermahlen: Das Buch ist viel weiter. Der Film kommt zu spät. Und die jugendlichen Darsteller sind keine jugendlichen Darsteller.

Tobias Kniebe

Eine Zeitlang sah es so aus, als könnte das ewig so weitergehen. Ein neues Buch, ein neuer Film. Schlangen vor den Buchläden, Schlangen vor den Kinokassen. Pauschalreisen ins Reich der Phantasie, pünktlich wie die Abfahrt des Hogwarts-Express am Bahnhof King"s Cross in London. Das immergleiche Reiseziel, die immergleichen, vertrauten Gesichter, die immergleichen, uralten Mauern der Zauberschule, die immergleichen Späße und Rituale. Gerade ist es wieder so weit: Der fünfte Film ist draußen, kurz vor dem siebten Buch. Die Pottermania hat den Planeten im Griff - und doch ist diesmal alles anders. Denn das Ende naht.

Kino: "Harry Potter und der Orden des Phoenix": "Harry Potter und der Orden des Phönix" hat ein Problem, und dieses Problem beginnt schon mit Harrys Gesicht.

"Harry Potter und der Orden des Phönix" hat ein Problem, und dieses Problem beginnt schon mit Harrys Gesicht.

(Foto: Fotos: AP/ddp)

In wenigen Tagen wird endgültig klar sein, wie Harry Potter das Böse besiegt und welchen Preis er dafür bezahlen muss. Der siebte Band soll definitiv der letzte sein, das hat die Autorin J. K. Rowling immer wieder geschworen, mindestens zwei Hauptfiguren werden sterben in diesem Finale - und selbst die stolzen Widerständler, die einen Potter-Roman nicht einmal mit der Beißzange anfassen würden, werden sich den Nachrichten über diesen Schluss kaum entziehen können. In wenigen Tagen ist die Sache also offiziell gegessen. Und muss im Kino doch weiterlaufen, bis ungefähr 2010.

Hier driftet etwas auseinander, wird brüchig, läuft aus dem Ruder. Das ist das Grundgefühl dieses fünften Films. "Harry Potter und der Orden des Phönix" hat ein Problem, und dieses Problem beginnt schon mit Harrys Gesicht. Kantig ist es geworden, von Sorgen gezeichnet, im Grunde erwachsen. Es ist auf keinen Fall das Gesicht eines Fünfzehnjährigen, wie die Buchvorlage und die Filmhandlung es verlangen. Kein Wunder: Nicht nur die Bücher laufen den Filmen inzwischen davon, auch das Leben selbst. Potter-Darsteller Daniel Radcliffe, der als niedlicher Elfjähriger mit den Dreharbeiten des ersten Films begann, wird in diesen Tagen achtzehn Jahre alt.

Wie seine Kollegen Rupert Grint und Emma Watson, die in Magazinen längst als ausgewachsene englische Lady posiert, ist er zu alt für den ersten Kuss und die ersten Hormonstürme der Teenagerzeit. Der Regisseur David Yates hat das bemerkt und versucht die romantischen Wirren, die der Roman verlangt, so gut wie möglich zu übergehen. Das geheime Erwachen der Sexualität, man sieht es im Rückblick, steckt auch bereits in der vorausgegangenen "Feuerkelch"-Verfilmung.

Der Vorgängerfilm brachte die Gewissheit, dass Lord Voldemort, alias der Dunkle Lord, endgültig zurück ist. Harry Potter sah es mit eigenen Augen, er musste gegen ihn kämpfen, ein Mitschüler starb dabei. Dramaturgisch war dies schon der Einstieg ins Finale, der Ruf in den Kampf. Ein Kampf allerdings, der sich laut Rowlings Masterplan über drei Bücher hinzieht und damit sehr breit ausgewalzt werden muss. Zu breit, wie man jetzt sieht. In vieler Hinsicht geht kaum etwas voran im "Orden des Phönix", und der Stillstand wird damit begründet, dass niemand den Warnungen des Nachwuchsmagiers glaubt. Besonders der Zaubereiminister tut sich darin hervor, die Existenz Voldemorts zu leugnen, Harry Potter zu diskreditieren und vor einen Untersuchungsausschuss zu zerren - und findet willige Helfer in der gleichgeschalteten Presse.

Vor dem Schmerz

So dringt die Politik in Potters Welt ein, sie erhebt ihr hässliches Haupt auch in Hogwarts und nimmt die schweinchenrosa Gestalt der Untersekretärin Dolores Umbridge an, die als Kontrolleurin des Ministers an die Schule geschickt wird und jeden Tag mehr Macht an sich reißt. Während Voldemort seine dunkle Armee versammelt, beginnt für Potter und seine Mitschüler erst einmal ein bürokratischer Albtraum.

Im Jahr 2003, als J. K. Rowling diese Wendung auf ihre Leser losließ, konnte man das noch als gelungene politische Allegorie deuten. Da hatte der Irak-Krieg gerade erst begonnen und die Terroranschläge in Großbritannien standen noch bevor. Heute wirkt diese Politik wie aus der Zeit gefallen, ein Rückgriff auf Chamberlain und seine Appeasement-Phantasien der Dreißigerjahre, auf Orwell und Huxley und eine Vergangenheit, als britische Politiker tatsächlich noch im Verdacht standen, eine gefahrlose Welt zu propagieren.

Heutige Minister würden die dunkle Bedrohung eher schüren als leugnen, Voldemort wäre ständig in den Abendnachrichten, die Gefahrenanalyse schwankte zwischen hellrot und dunkelrot, mit Potter als Kronzeugen im Krieg gegen den Terror - und im Hochsicherheitsgefängnis Askaban würde per offiziellem Erlass gefoltert. Vor diesem Hintergrund wirken die schrill chargierenden Bürokraten, die Harry und sein Mentor Dumbledore in diesem Film ertragen müssen, wie lästige Pappkameraden. Sie sorgen für Ablenkung bis zum unvermeidlichen neuen Voldemort-Duell, und ja, es stirbt wieder jemand dabei, und doch ist klar: Die entscheidenden Kämpfe, die wirklich schmerzhaften Verluste stehen erst noch bevor.

Wann ist es endlich vorbei?

Das Frustrierende ist, dass im Reich der Magie alles möglich sein müsste - und man dennoch das Gefühl hat, nie etwas Neues zu sehen. Ein Kampf zwischen zwei Großzauberern sieht hier nicht anders aus als ein Lichtschwert-Duell in "Star Wars" oder eine Konfrontation zwischen Gandalf und Saruman in "Herr der Ringe": Energieströme schießen hin und her, Angriffs- und Abwehrformeln werden gesprochen, es blitzt und donnert und irgendwann fällt, Gott weiß warum, der eine um und der andere nicht.

Der Ausgang wirkt völlig beliebig, und die Idee, dass nur die Liebe am Ende die Kraft zum Sieg geben kann, ist als Klischee ungefähr so alt wie die Menschheit selbst. So fürchtet man um die letzten beiden Filme, und noch mehr um den Inhalt des finalen Buchs: Es wird also noch ein Duell geben. Und noch eins. Und dann, ja richtig, noch mindestens ein weiteres. Erst stirbt Ihr-wisst-schon-wer durch die Hand von Hab-ich's-nicht-gleich-gesagt, dann X durch Y, und so fort.

Die neueste Nachricht, die durchs Potter-Universum schwirrt, muss deshalb auch als echte Bedrohung erscheinen: Dass die Geschichte nämlich doch noch weitergehen könnte. "Man soll nie nie sagen", erklärte Rowling nach Angaben ihres Verlags Bloomsbury zuletzt, und: "Ich kann doch nicht sagen, ich werde niemals wieder ein Buch über das Universum des Harry Potter schreiben." Ach nein? Dann sollte sie sich wohl dringend an das Gefühl erinnern, das sie nach eigener Aussage hatte, als sie ihren letzten (oder doch nicht letzten?) Harry-Potter-Satz zu Papier brachte: "Ich spürte große Erleichterung, dass es vorbei ist."

Die würden wir, in der Bücherwelt wie auch im Kino, lieber heute als morgen mit ihr teilen.

HARRY POTTER AND THE ORDER OF THE PHOENIX. USA/GB 2007 - Regie: David Yates. Buch: Michael Goldenberg. Musik: Nicholas Hooper, John Williams. Kamera: Slawomir Idziak. Schnitt: Mark Day. Mit: Daniel Radcliffe, Rupert Grint, Emma Watson, Ralph Fiennes, Michael Gambon. Warner Brothers, 138 Minuten.

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