"Halloween" im Kino:Bis in alle Ewigkeit zum Playback gezwungen

Filmstills

Mit solchen Problemen schlägt sich Laurie (Jamie Lee Curtis) nun auch schon seit vierzig Jahren herum - Szene aus dem neuen "Halloween".

(Foto: Ryan Green; Verleih)
  • Vierzig Jahre nach dem Original gibt es wieder einen "Halloween"-Film unter Mitwirkung von John Carpenter.
  • Jamie Lee Curtis trifft darin in ihrer Rolle als einzige Überlebende des ersten Films auf Michael Myers, den Killer von damals.
  • Der Horrorfilm erzählt von dem Trauma, einem mordenden Psychokiller begegnet zu sein - aber auch dem, Teil eines Filmhits zu sein, auf dem das kollektive Gedächtnis hängen geblieben ist.

Von Tobias Kniebe

Verweilen wir doch einen Moment bei Jack O'Lantern. Jenem irgendwie heimeligen und doch gruseligen, inwendig ausgehöhlten, mit fratzenhaften Stichwunden verzierten Kürbis, den sich nicht nur die Amerikaner an Halloween so gern vor die Haustür stellen. Der rotgelbgoldene Kerzenschein, der flackernd aus seinem Inneren hervorleuchtet, ist für jeden Kameramann ein Fest.

John Carpenter hat das auch so gesehen, als er seinen Film "Halloween" vor vierzig Jahren auf die Welt losließ. Den ganzen Vorspann lang zeigte er nichts anderes als so eine Kürbisfratze in nachtschwarzer Umgebung. Dazu lief seine selbstkomponierte, geniale, mitleidlos im schnellen 5/4-Takt voranpochende Filmmusik, die schon Spannung genug versprach.

Man versteht viel über Amerika, wenn man lang genug auf Jack O'Lantern starrt. Zum Beispiel wie aus einer unscheinbar grauen, ausgehöhlten Steckrübe, wie sie in der alten irischen Hallowe'en-Tradition noch üblich war, in den USA dann diese riesigen, bunten, unheimlich effektiven Monsterkürbisfratzen wurden und schließlich, dank massiver Unterstützung aus Hollywood, das ganze Halloween-Fest eine Art global wieder exportierbares Produkt.

Die zentrale These hier: Es gibt Dinge, die einen bis ans Lebensende verfolgen

Andererseits darf man sich diesen Moment anno 1978 wunderbar unschuldig vorstellen. Da hat einer praktisch überhaupt kein Geld, aber ein paar Ideen. Der uferlose Ozean möglicher Kinogeschichten liegt vor ihm, und er greift halt hinein. Und dann sind plötzlich drei Dinge verknüpft: Erstens der messerschwingende Killer mit dem schweren Dachschaden, den Alfred Hitchcock erstmals in "Psycho" etabliert hatte. Zweitens die Machtergreifung der Teenager im Kino - der erste "Star Wars"-Film war gerade im Jahr davor gelaufen. Und drittens das Halloween-Datum, das bis dahin nur halb so schrecklich war. Diese Verbindung schlug dann dermaßen ein, dass der Nachhall noch vierzig Jahre später zu spüren ist.

Also gibt es jetzt wieder einen Film unter Mitwirkung Carpenters (Regie allerdings: David Gordon Green), der einfach "Halloween" heißt und von demselben Psychokiller wie damals erzählt. Es gibt wieder diese geniale Musik, praktisch unverändert, und einen Jack O'Lantern-Kürbis im Vorspann. Wobei dieser aber im Zeitraffer austrocknet, in sich zusammenfällt, verfault und vergammelt.

Hach ja! Wie doch die Zeit vergeht, wie wir alle älter werden und vergammeln, wie der scheinbar uferlose Ozean möglicher Kinogeschichten eben doch nicht so uferlos ist, im Gegenteil, man kann sich zwar viel ausdenken, aber das meiste funktioniert nicht und hinterlässt keine Spuren, und so bleiben dann doch immer nur die wenigen Storys übrig, bei denen es anders war. Ahnte John Carpenter damals, dass er zwar noch einige spannende Dinge anpacken, aber von "Halloween" nie mehr ganz loskommen würde? Hatte seine Hauptdarstellerin Jamie Lee Curtis, damals in ihrer ersten Kinorolle, irgendeine Ahnung davon, wie sehr sie in den folgenden Jahren auf das Horrorgirl festgelegt sein würde, Spitzname "Scream Queen", und dass die Anfragen, bei irgendwelchen "Halloween"- Fortsetzungen dabei zu sein, niemals enden sollten? Zum zwanzigsten Jubiläum ist sie beispielsweise schwach geworden und hat wieder mitgemacht, und jetzt zum vierzigsten eben auch wieder. Im neuen Film trägt sie wallende graue Haare und versucht unter anderem, ihre Enkelin im Umgang mit Psychokillern zu schulen, weshalb sie jetzt vielleicht den Ehrentitel "Scream Granny" verdient hat.

Das ist womöglich die zentrale These hier: Es gibt Dinge, die einen bis ans Lebensende verfolgen. Das kann ein Trauma aus der Begegnung mit einem mordenden Psychokiller sein - aber eben auch ein ganz besonderer Filmhit, auf dem das kollektive Gedächtnis hängen geblieben ist wie auf einem besonders wirkmächtigen Drogentrip.

Um das aber zu verstehen, muss man an den Ursprung zurück, und genau das war hier offenbar die Devise für Carpenter (Produktion und Musik) und Curtis: Tun wir doch einfach so, als hätte es die kaum zählbaren Fortsetzungen und Variationen dieser Horrorserie gar nicht gegeben, sondern eben nur diesen einen Meilenstein, mit dem alles begann. Was wäre dann los, vierzig Jahre später?

Der Dachschaden-Killer Michael Myers, um den es hier geht, mordete erstmals im Alter von sechs Jahren, mutmaßlich aus Protest gegen seine sexuell freizügige Schwester, die dann auch sterben musste. Das war im Jahr 1963. Dann brach er als Erwachsener aus der Irrenanstalt aus und richtet unter Teenager-Babysittern ein Massaker an, dass nur die unerschrockene Laurie alias Jamie Lee Curtis überlebt - das war der erste Film. Gegenwärtig ist Myers also kurz vor dem Rentenalter. Höchste Zeit für einen neuen Ausbruch aus dem Hochsicherheitstrakt.

Wiedervereinigt mit seiner Halloween-Maske findet Myers den Weg zu Laurie zurück, die ihn allerdings erwartet und sich über die Jahrzehnte zur Survival-Expertin hochgerüstet hat. Dann wird alles genauso blutig, wie man es vermuten würde, und im Finale schwingt nicht nur die Sehnsucht mit, den Bogeyman nun aber wirklich und endgültig zu vernichten, sondern auch der Wunsch, die Lust auf weitere Fortsetzungen gleich mit zu töten. Wie vergeblich diese Hoffnung ist, zeigen allerdings die aktuellen Startzahlen in den USA, die bisher besten der ganzen Serie. Was nur wieder zeigt: Wer einmal an einem Moment beteiligt war, der die Popkultur verändert hat, kann bis in alle Ewigkeit zum Playback gezwungen werden.

Halloween, USA 2018 - Regie: David Gordon Green. Buch: Green, Danny McBride, Jeff Fradley. Kamera: Michael Simmonds. Mit Jamie Lee Curtis, Judy Greer, Nick Castle. Universal, 106 Minuten.

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