Wie dort die Visionen durcheinandergehen, zwischen Zionismus und sozialistischer Religionsverachtung, Hoffnung auf Normalität und Kibbuz-Idealismus, das nimmt im Roman viel Raum ein, aber es ist viel zu kompliziert für die Leinwand. Der Film setzt sich zusammen aus Impressionen dieser Kindheit. Stellvertretend für alle Tanten, die schreckliche Kirschbrause zusammenrühren, an denen selbst Gummibäume eingehen, besuchen die Klausners im Film eine arabische Familie. Es sei besonders wichtig, dass Amos sich benimmt, mahnt der Vater. Amos wird zum Spielen in den Garten geschickt und verursacht prompt einen Unfall.
Natalie Portman hat die Geschichte sehr gut eingedampft. Dass ein sehr schöner Film daraus geworden ist, liegt zu einem guten Teil daran, dass sie - es ist ihr Regiedebüt - keinem Regelwerk folgt, sondern ihrem Gespür. Der Film wird von einer Erzählerstimme getragen - das gilt als ungelenk, ist aber elegant, wenn man Amos Oz vorzutragen hat; so wird der Text, auf organische Weise, zu einem Hauptdarsteller. Sie inszeniert sich selbst, das ist riskant, aber sie hat der Versuchung widerstanden, großes Verzweiflungsdrama zu spielen. Fanias Schmerz ist leise, er kriecht wie Nebel durch die kleine Wohnung und dringt durch die Räume, bis alles kalt und feucht ist.
"Im Leben des Einzelnen wie im Leben ganzer Völker brechen die schlimmsten Konflikte oft zwischen zwei Verfolgten auf"
Portman hat Kleinigkeiten an der Geschichte verändert, leinwandtauglich gemacht, aber in den entscheidenden Momenten lässt sie Oz selbst zu Wort kommen. "Im Leben des Einzelnen wie im Leben ganzer Völker brechen die schlimmsten Konflikte oft zwischen zwei Verfolgten auf", so beginnt eine Passage im Buch, die sie übernommen hat. "Es ist ein sentimentales Wunschdenken, dass sich die Verfolgten und Unterdrückten solidarisieren und geeint auf die Barrikaden gehen, um gemeinsam gegen ihren grausamen Unterdrücker zu kämpfen. In Wirklichkeit werden zwei Kinder eines misshandelnden Vaters nicht unbedingt Bündnispartner, und nicht immer bringt das gemeinsame Schicksal die beiden einander näher. Nicht selten sieht der eine im anderen nicht einen Schicksalsgenossen, sondern die grauenerregende Fratze ihres gemeinsamen Verfolgers."
Die Sehnsucht nach einem Ort, an dem sie sein dürfen, hat die Klausners nach Palästina getrieben, und als der Staat da ist, sagt der Vater im Film zu Amos: "Wenn sie dich in der Schule triezen, dann wird es nicht deswegen sein, weil du Jude bist." In Oz' Geschichte steckt die Hoffnung, es könne Frieden geben, wenn man erst versteht; die arabische Übersetzung des Buches hat ein Mann bezahlt, dessen Familie durch die Staatsgründung Israels selbst ihr Land verloren hat und dessen Sohn später von palästinensischen Terroristen erschossen wurde, weil sie dachten, er sei Jude. Eine dieser arabischen Ausgaben hat Oz 2011 einem der militärischen Führer der Intifada, dem in Israel inhaftierten Marwan Barghuthi, geschickt und damit eine Kontroverse ausgelöst. Frieden, verteidigte sich Oz, kann man aber nur mit seinen Feinden schließen.
A Tale of Love and Darkness, Israel/USA 2016 - Regie und Buch: Natalie Portman. Kamera: Slawomir Idziak. Mit: Natalie Portman, Gilad Kahana, Amir Tessler. Koch Films/Filmagentinnen, 98 Minuten.