"Eine Geschichte von Liebe und Finsternis" im Kino:Frieden kann man nur mit seinen Feinden schließen

Kinostart - 'Eine Geschichte von Liebe und Finsternis'

Natalie Portman als Fania, Gilad Kahana als Arieh und Amir Tessler als ihr Sohn Amos.

(Foto: dpa)

Leise und melancholisch hat Natalie Portman Amos Oz' autobiografischen Roman "Eine Geschichte von Liebe und Finsternis" verfilmt.

Von Susan Vahabzadeh

Es gibt Dinge, um die Sehnsüchte nicht wissen, Alltagssorgen und irdische Hürden werden vom Verlangen grundsätzlich unterschlagen. Es geht sehr viel um Sprache in Amos Oz' autobiografischem Roman "Eine Geschichte von Liebe und Finsternis". Seine Eltern beherrschten, was osteuropäische Schulen zu bieten hatten, Russisch, Englisch, Polnisch, Französisch. Ihr Hebräisch aber musste, nachdem sie in den Dreißigerjahren nach Palästina gekommen waren, plötzlich einem Alltag gehorchen, für den es nicht gemacht war. Für den kleinen Amos, der schon in Jerusalem geboren war, war das mitunter recht witzig.

Es geht um Sprache und Oz' Kindheit in diesem Buch, um den Selbstmord seiner Mutter und die Staatsgründung Israels, um das Verhältnis der Menschen zueinander und um das der Träume zur Realität. Man kann ein solches Buch nur als Destillat verfilmen, und das hat Natalie Portman getan. "Eine Geschichte von Liebe und Finsternis" ist ihr Film, sie hat ihn geschrieben, inszeniert, hat Jahre gebraucht, um ihn zu finanzieren; und sie selbst spielt Fania, die Mutter des kleinen Amos. Die Eltern schmerzt der Verlust Europas, sie suchen Normalität; ihr Glück findet Fania dort nicht. Eine großartige Geschichtenerzählerin, aber eine traurige Frau.

Die Vereinten Nationen haben abgestimmt, Israel ist nun ein Staat; der Krieg von 1948 rauscht in Originalaufnahmen an dem kleinen Amos vorbei, der jetzt noch Klausner heißt. Der Mutter geht es nicht besser, es geht ihr schlechter. Sie hört auf, Geschichten zu erzählen. Die Mutter sei ein Leben lang den Sumpflichtern von Sehnsucht und Verlangen gefolgt, schreibt Amos Oz einmal in seinem Buch.

Natalie Portman hat sich in dieses Buch verliebt

Die Schauspielerin Natalie Portman, Oscarpreisträgerin für "Black Swan", ist selbst in Jerusalem geboren, ihre Muttersprache ist Hebräisch, sie hat den Film auf Hebräisch gedreht, mit israelischen Schauspielern - das ist eine Absage an amerikanische Einspielergebnisse, aber man spürt auch, dass sie etwas ganz anderes treibt. Sie habe sich in dieses Buch verliebt, hat sie gesagt, und dann mit viel Liebe aus dem dicken Wälzer einen schlanken Film gemacht, der versucht, das Wesentliche herauszuarbeiten: eine Stimmung, der Vorlage nacheifernd, melancholisch und poetisch und rührend.

Es ist eine Mischung aus Träumerei, Aufbruch und Ernüchterung, die Amos (Amir Tessler) in seiner Kindheit umgibt. Die Eltern waren in Europa eher wohlhabend, nun wohnen sie in einer ärmlichen Gegend. "Eine Geschichte ..." ist ein dunkler Film - nie ist es bei den Klausners richtig hell, dabei könnte Fania jeden Sonnenstrahl gebrauchen. Ihr Mann, Arieh (Gilad Kahana) schreibt Bücher, die sich schlecht verkaufen, gilt aber immerhin als Intellektueller; Fanias Geschichten, manchmal fast gruselig, gehören ihrem Sohn, manchmal wispert sie sie, wenn sie sich zu dem Kleinen in sein Bett kuschelt. Mit ihrem Mann verbindet sie nicht viel - die Liebe zum Kind und der Glaube, dass in Jerusalem eine bessere Welt entstehen kann.

In Jerusalem gehen die Visionen durcheinander: Zionismus, Religionsverachtung, Normalität

Wie dort die Visionen durcheinandergehen, zwischen Zionismus und sozialistischer Religionsverachtung, Hoffnung auf Normalität und Kibbuz-Idealismus, das nimmt im Roman viel Raum ein, aber es ist viel zu kompliziert für die Leinwand. Der Film setzt sich zusammen aus Impressionen dieser Kindheit. Stellvertretend für alle Tanten, die schreckliche Kirschbrause zusammenrühren, an denen selbst Gummibäume eingehen, besuchen die Klausners im Film eine arabische Familie. Es sei besonders wichtig, dass Amos sich benimmt, mahnt der Vater. Amos wird zum Spielen in den Garten geschickt und verursacht prompt einen Unfall.

Natalie Portman hat die Geschichte sehr gut eingedampft. Dass ein sehr schöner Film daraus geworden ist, liegt zu einem guten Teil daran, dass sie - es ist ihr Regiedebüt - keinem Regelwerk folgt, sondern ihrem Gespür. Der Film wird von einer Erzählerstimme getragen - das gilt als ungelenk, ist aber elegant, wenn man Amos Oz vorzutragen hat; so wird der Text, auf organische Weise, zu einem Hauptdarsteller. Sie inszeniert sich selbst, das ist riskant, aber sie hat der Versuchung widerstanden, großes Verzweiflungsdrama zu spielen. Fanias Schmerz ist leise, er kriecht wie Nebel durch die kleine Wohnung und dringt durch die Räume, bis alles kalt und feucht ist.

"Im Leben des Einzelnen wie im Leben ganzer Völker brechen die schlimmsten Konflikte oft zwischen zwei Verfolgten auf"

Portman hat Kleinigkeiten an der Geschichte verändert, leinwandtauglich gemacht, aber in den entscheidenden Momenten lässt sie Oz selbst zu Wort kommen. "Im Leben des Einzelnen wie im Leben ganzer Völker brechen die schlimmsten Konflikte oft zwischen zwei Verfolgten auf", so beginnt eine Passage im Buch, die sie übernommen hat. "Es ist ein sentimentales Wunschdenken, dass sich die Verfolgten und Unterdrückten solidarisieren und geeint auf die Barrikaden gehen, um gemeinsam gegen ihren grausamen Unterdrücker zu kämpfen. In Wirklichkeit werden zwei Kinder eines misshandelnden Vaters nicht unbedingt Bündnispartner, und nicht immer bringt das gemeinsame Schicksal die beiden einander näher. Nicht selten sieht der eine im anderen nicht einen Schicksalsgenossen, sondern die grauenerregende Fratze ihres gemeinsamen Verfolgers."

Die Sehnsucht nach einem Ort, an dem sie sein dürfen, hat die Klausners nach Palästina getrieben, und als der Staat da ist, sagt der Vater im Film zu Amos: "Wenn sie dich in der Schule triezen, dann wird es nicht deswegen sein, weil du Jude bist." In Oz' Geschichte steckt die Hoffnung, es könne Frieden geben, wenn man erst versteht; die arabische Übersetzung des Buches hat ein Mann bezahlt, dessen Familie durch die Staatsgründung Israels selbst ihr Land verloren hat und dessen Sohn später von palästinensischen Terroristen erschossen wurde, weil sie dachten, er sei Jude. Eine dieser arabischen Ausgaben hat Oz 2011 einem der militärischen Führer der Intifada, dem in Israel inhaftierten Marwan Barghuthi, geschickt und damit eine Kontroverse ausgelöst. Frieden, verteidigte sich Oz, kann man aber nur mit seinen Feinden schließen.

A Tale of Love and Darkness, Israel/USA 2016 - Regie und Buch: Natalie Portman. Kamera: Slawomir Idziak. Mit: Natalie Portman, Gilad Kahana, Amir Tessler. Koch Films/Filmagentinnen, 98 Minuten.

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